Der Sonntagsjäger

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor etwa hundert Jahren lebte im freiburgischen Dorfe Rechthalten P. Weissbaum, ein leidenschaftlicher Jäger. Die Wochentage genügten ihm nicht, seiner Jagdwut zu frönen, selbst am Sonntag legte er die Flinte nicht weg. Wenn die braven Leute von Rechthalten im Sonntagsstaat zum Gotteshaus eilten, um Herz und Gemüt mit dem Worte Gottes zu stärken und in der heiligen Messe neue Kraft zu ihrer mühsamen Arbeit auf den steilen Hängen und wilden «Krachen» zu schöpfen, da hing Weissbaum sich das Gewehr um die Schulter und ging dem Wilde nach, das sich in den Sümpfen des Entenmooses und in den dichten Wäldern gegen Gauglera und Brünisried in grosser Menge aufhielt. Schon oft hatte der würdige Seelsorger sein ungeratenes Schäflein zur Umkehr ermahnt und ihm mit väterlich ernsten Worten das Ärgernis vorgehalten, welches die Sonntagsjagd in der Pfarrei erregte. Aber für die Mahnungen seines Pfarrherrn hatte Weissbaum nur taube Ohren. Er erwiderte grob, der Pfarrer solle sich um seine eigenen Sachen kümmern und nicht andere Leute belästigen. Das Jagen gehe den Pfarrer nichts an und sei gewiss keine Sünde, da er ja einen Jagdschein besitze. Da schwieg der bekümmerte Seelenhirte, betete für den verstockten Jünger Nimrods. An einem herrlichen Sonntagmorgen stand Weissbaum schon bei Tagesanbruch auf und ging in den Plasselbschlund auf die Fuchsenjagd. In unberührte Morgenstille drang weithin durchs Ärgerntal der weihevolle Glockenklang von der Kirche Plasselb, ein gutmeinender Warner für den Sonntagsjäger. Aber dieser liess nicht ab von seinem Vorhaben. Oberhalb der Tartürbrücke wollte er ein Fuchsennest ausheben. Plötzlich lief ihm ein grosser kohlschwarzer Fuchs über den Weg, der ihn mit feurigglühenden Augen anstarrte. Blitzschnell legte der Jäger das Gewehr an die Wange, zielte und drückte ab. Der Schuss traf gut, aber, o Schreck! Das Tier blieb unverletzt stehen; jetzt sprang es auf den erschrockenen Jäger zu. Ehe er sich zur Wehr setzen konnte, hatte der unheimliche Fuchs die Feuerwaffe gepackt und den eisernen Gewehrlauf mit den spitzen Zähnen glatt entzweigebissen. Aus dem weiten Rachen bleckte eine feurige Zunge, und schwefeliger Atem wehte dem zitternden Weissbaum ins totenblasse Gesicht. Als der Bestürzte sich wieder gefasst hatte, war der schwarze Fuchs nicht mehr zu sehen. Dem Sonntagsjäger verging die Lust nach weiterem Waidvergnügen. Er schwor hoch und heilig, jener Fuchs sei niemand anders als der leibhaftige Satan gewesen. Fortan gab Weissbaum die Jagd am Sonntag auf und wurde wieder ein eifriger Besucher des Gotteshauses.

 

Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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