Der Vieh-Raub

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Im vorigen Jahrhunderte kamen zwischen den Älplern und Hirten in Alpen an der Sulzfluh und den Montavonern jenseits des Gebirgszuges öfters Neckereien dieser oder jener Art vor.

Einst fasste ein Küher, der in Partnun hütete, den verwegenen Plan, al­leine an den Montavonern sich zu rächen. Von seinem Vorhaben wussten seine Kameraden nichts, sie hätten sonst von seiner bösen Absicht ihn abgehalten.

So machte er einen schönen Tages sich auf, überstieg den Pass, und betrat die schönen Alpen der Widersacher. Er kehrte in einer Hütte ein, deren Bewohner ihn freundlich aufnahmen, und gastfrei hielten. Niemand ahnte seine böse Absicht. - Gerührt durch die Freundlichkeit, die ihm erwiesen wurde, kämpfte er anfangs mit seinem Innern, und war nahe daran, seinen Plan aufzugeben, und heimzukehren. - Doch der Hass gewann und behielt die Oberhand, und so schritt er zur Ausführung seines Planes.

In der Nacht erhob er sich von seinem Lager, schlich sich in den Stall, und führte die zwei schönsten Kühe weg. Der Plan war ihm gelungen. Freundlich flimmerten die Sterne, als wollten sie ihn warnen, mit dem geraubten Gute umzukehren, aber er überhörte, noch mehr, er beschwich­tigte die Stimme seines Gewissens. So trieb er seinen Raub über die Passhöhe.

Dem Knechte, der während seiner Abwesenheit hütete rief er zu: »Schau da die schönen Braunen an, freuen sie dich nicht?«

Der Andere erschrak: »Gott, was hast Du getan, gib Acht, das kostet unsere ganze Habe; Du, und wir Alle müssen es entgelten.«

Bald wurde das Vieh zum Melken »gesammelt,« und gemelkt, aber keinem von den Hirten oder Kühern wollten die »schönen Braunen« gefal­len. Zentnerschwer lastete die Angst auf ihnen. -

In den Nachmittagsstunden gewahrte der Handbube einige Männer mit grossen Stöcken in den Händen, von der Passhöhe herabkommend. Es war das ein Trupp Montavoner, in ihrer Mitte der Besitzer der beiden »Brau­nen.« - Und ohne lange zu fragen, schickten diese Montavoner sich an, nicht nur die beiden Braunen, sondern auch die ganze, weidende Habe, die auf Partnun weidete, ausgenommen einen Stier, welcher hinkte, und nicht vorwärts mochte, weg zu treiben, dem Passe zu.

Vor ihrem Abzuge liessen die Montavoner dem Küher zur Strafe, Diesem die Wahl, in die »heisse Milch« zu springen, oder zu Tode sich zu »bürch­len« (ins Alphorn zu blasen) bis er zerspringe (Todesstrafen bei den Älplern gebräuchlich). - Er wählte das Letztere, - nahm sein Horn, sprang auf das Hüttendach, und blies, dass es in Berg und TaI wiederhallte. Er blies ins Horn: »O! O! O! ..... Sie haben uns genommen die schwarzbraune Kuh (dies war die sog. Heer-Kuh) und Alle dazu.« -

Im Tale vernahm man wohl die seltsam langgezogenen, zitternden Töne, aber Niemand verstand die Deutung als die Geliebte des Kühers, die eben am Brunnen Wasser holte. Sie horchte auf, verstand den Hülfe-Ruf, und machte die Männer bekannt mit der Gefahr, die der Habe drohe, und in grösster Eile stürmten Ihrer eine Anzahl bergan, Alpe zu.

Droben lag der Küher tot auf dem Dache, neben ihm sein Horn; er hatte seine traurige Pflicht erfüllt. Die Hirten erzählten den Hergang; die Kühe waren weg, die Montavoner nicht mehr einzuholen. So hatte der Küher seine Strafe erhalten, so aber waren sie durch Densel­ben um ihre ganze Haabe gekommen.

Traurig und niedergeschlagen kehrten die Talleute von der Alpe heimwärts, so auch die andern Knechte, die nunmehr in der Alpe nichts mehr zu tun hatten. - Öde Stille herrschte in den schönen, verlassenen Gründen, wo noch vor wenigen Stunden das Geläute der friedlich grasenden Herde ertönte.

Aber die Leute mochten jammern wie und so lange sie wollten, das half nichts; es war nun einmal so und nicht anders, und sie wussten, dass sie ihre lieben Kühe nicht mehr sehen sollten, oder sie kauften Dieselben hoch und teuer zurück.

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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