Drei lustige Tage und dann des Teufels

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Drei Handwerksburschen, die sich in ihrem Leben noch nie gesehen hatten, trafen ganz zufällig auf der Wanderschaft zusammen. Sie waren alle drei unzufrieden mit dem Schicksal, das ihnen härtere Nüsse zu knacken aufgab, wie sie meinten, als andern Leuten. Keiner hatte einen Rappen in der Tasche, und das Ränzel auf dem Rücken enthielt nur noch zerlumpte Leibwäsche, die sie im Bache nicht mehr auszuschwemmen wagten, aus Furcht, die letzte Naht möchte im Wasser auch noch platzen.

Als sie so traurig die staubige Landstrasse entlang zogen, sagte der eine: «Seht, mir ist es immer schlecht ergangen von Jugend auf; nur einmal in meinem Leben möchte ich so recht nach Herzenslust mich freuen, gut essen und trinken und dann meinetwegen des Teu­fels sein!»

Der zweite sagte: «Mir ist es eher noch schlechter ergangen als dir, ich habe meiner Lebtag immer nur Roggenbrot und Käse gegessen, und weiss nicht einmal, wie die feinen Gerichte schmecken, die die reichen Leute alle Tage auf den Tisch bekommen, drum bin ich ganz deiner Ansicht und gäbe gerne den Rest meines Lebens dahin, wenn ich so recht in den Tag hinein leben könnte, und wenn es auch nur für kurze Zeit wäre!»

Der dritte und jüngste sagte: «Ich habe bis jetzt fast nur böse Tage gezählt. Neulich hätte ich eine gute Stelle mit schönem Lohn bekommen, als ich krank wurde und sie deshalb wieder verlor. Doch hoffe ich immer noch auf bessere Zeiten, und für das gute Fressen und Saufen allein gäbe ich meine Seligkeit nicht dahin!»

«Drei Tage und dann des Teufels!» sagte der erste wieder, und der zweite stimmte bei, und ihre Augen leuchteten. Da sahen sie einen fein gekleideten Herrn des Weges kommen, den sie bis jetzt gar nicht bemerkt hatten, und doch war die Strasse schnurgerade, und weder von links noch von rechts mündeten andere Wege ein. Der fremde Herr trug zu seinem vornehmen schwarzen Kleid ein kleines grünes Hütchen, auf dem eine Rabenfeder steckte. Er blieb stehen und redete sie mit spöttischem Lächeln an: «Was fehlt euch denn? Euch stehen ja die Augen aus dem Kopf wie Waldeulen, die acht Tage lang nichts in den Bauch bekommen haben. - Drei lustige Tage begehrt ihr, die könnt ihr haben, und ihr sollt euch das Herz aus dem Leibe lachen. - Und wenn sie um sind, pah, dann seid ihr doch nicht des Teufels; ihr braucht nur drei leichte Fragen zu beant­worten, weiter nichts, und könnt ihr das, so seid ihr frei. Da, schlagt ein!»

Die zwei ältern schlugen sofort ein, und der dritte streckte fast gegen seinen Willen die Hand auch hin, worauf der schwarze Herr einen Kratzfuss machte und verschwand. Jetzt erst gewahrten sie die Spur eines Pferdefusses im Staub der Landstrasse.

Gegen Abend bogen die drei Gesellen in ein Dörfchen ein, wo ein lustiges Fest gefeiert wurde. Sie setzten sich zu den Burschen und Mädchen ins Wirtshaus, und nun schwammen sie in der seligsten Lustbarkeit. Sie liessen vom Besten auftragen, bewirteten die Gäste mit Braten und feurigen Weinen, und da ihre Taschen nie leer wur­den, hielten die Leute sie für grosse Herren. Die ganze Nacht durch wurde gezecht, geschlemmt und getanzt. Ein so schönes Fest hatte man im Dorfe noch nie gesehen.

Am Morgen, als der erste Sonnenstrahl durch die Läden schoss und einen hellen Schein in das wilde Leben hineinwarf, stahl sich der jüngste der drei Gesellen fort. Das Gewissen wachte ihm plötz­lich auf, und er dachte mit Schrecken an die drei Fragen, die ihnen der Teufel zu lösen geben werde und an ein schlimmes Ende. Er wanderte fort, bis er das Wirtshaus aus den Augen verlor, immer querfeldein und legte sich, als die Sonne den Zenith erreichte unter einem grossen Birnbaume nieder. Wie er so durch die Äste ins Blaue hineinstarrte und sich überlegte, was sie der Teufel wohl fragen werde, hörte er eine Stimme über sich, die ganz deutlich sagte: «Für dies eine Mal will ich dir noch helfen, dann aber nie mehr. Nimm dein Messer, stich den Rasen um den Baum herum aus und bedecke damit deinen Kopf. Es werden tausend Raben heranfliegen und sich im Geäste niedersetzten. Pass gut auf, was sie schwatzen werden! »

Der Bursche sprang auf. Hatte er geschlafen und geträumt? Er wusste es nicht. Er zog das Messer und stach den Rasen rund um den Baum heraus, Scholle für Scholle und bedeckte sich damit. Kaum war er mit der Arbeit fertig, kam ein Flug Raben daher­geflogen und setzte sich schwatzend und kreischend ins Gezweige, so dass der Baum von diesen gefiederten Teufeln ganz schwarz aus­sah. Der Bursche verhielt sich mäuschenstill und horchte zu. Ganz deutlich vernahm er folgendes Gespräch, das zwei der Schwarzröcke dicht über seinem Kopfe hielten:

«Du hast auch noch nie eine Seele gefangen, du Aasfresser, ich aber bekomme grad drei auf einmal!» Da schrie der andere: «Was, du bist der dümmste unter uns und erhältst drei auf einmal? Das glaube ich nicht!» «So hör zu», erwiderte der erste. «Ich halte drei Handwerksburschen in den Klauen, die noch drüben im Dorfe tan­zen, fressen und saufen, was das Zeug hält. Zwei Tage noch und dann sind sie mein!» «Erzähl das einem andern, du Rabenaas, nicht mir», höhnte der andere. «Und mein sind sie, denn sie werden die Fragen nicht lösen, die ich ihnen geben werde», sagte der erste. Sie müssen mir raten, was für Spielleute, was für ein Licht und was für eine Decke ich ihnen gegeben habe. Das werden sie nicht heraus­bringen, he, he, denn als Spielmann habe ich die Katze des Wirtes erwischt, als Licht habe ich der Köchin den Feuerbesen gestohlen, und das raten sie nicht, und als Decke habe ich dem Wirt die Kuh­haut genommen, und darauf kommen sie nicht!»

Das Gekrächze auf dem Baume wurde immer lauter und unwir­scher, und auf einmal flog die ganze Schar mit heftigem Geschrei davon. Der Geselle unter dem Baume erhob sich, setzte die Erdschollen wieder ein, klappte das Messer zusammen und nahm sich vor, die liederlichen Kameraden zu verlassen, sobald er sie aus des Teufels Klauen befreit hätte, und dem unsteten Leben zu entsagen. Langsam ging er denselben Weg zurück und wiederholte die drei Fragen, um sie gut einzuprägen. Als er das Wirtshaus gegen Abend erreichte, war die Musik verstummt und der Lärm zu Ende.

Auf einer steinernen Bank vor dem Hause sassen die bei den andern Gesellen, die Haare fielen ihnen wirr ins Gesicht, und trostlos schau­ten sie ins Leere. Erst einer der drei flotten Tage war um, die ihnen der Teufel versprochen, und schon hatten sie die Lustbarkeit satt. Der Jüngste weckte sie aus dem stumpfsinnigen Brüten nicht auf; er hielt den Traum geheim und wartete, bis der zweite und dritte Tag vorüber war. Der Wirt fragte sie öfters, ob sie nichts zu essen und zu trinken begehrten, aber es gelüstete sie nicht stark danach. So erschien der Morgen des vierten Tages.

Kaum hatten sie sich von ihrem Lager erhoben und waren ein wenig vor das Dorf hinausgewandert, so stand der Teufel auch schon da. Auf seinem Gesicht lag ein zufriedenes Lächeln. Er strich sich das Kinn und stellte die drei Fragen. Die zwei ältern Genossen wussten kein Wort darauf zu erwidern. Der Kopf schmerzte sie noch von dem wilden Gelage, und sie schau­ten sich schreckensbleich um, ob nicht jemand des Weges kommen und sie aus der entsetzlichen Lage befreie. Da trat der jüngste zwei Schritte vor und sagte: «Ich will dir Rede stehen!»

«Sieh, sieh!» sagte der Teufel und verzog sein Gesicht zu einem hämischen Lachen. «Was für einen Spielmann habe ich euch denn gegeben?»

Der Bursche erwiderte: «Hättest du dem Wirt die Katze gelassen, so hätten die Mäuse den Speck nicht gefressen!»

«Hm, hm», brummte der Teufel, und ein Schatten flog über sein Gesicht. «Nun die zweite Frage: Was für ein Licht habe ich euch denn gegeben, he?»

«Hättest du der Köchin den Feuerbesen gelassen, so würde sie die Kohlen besser usammengewischt und den Boden nicht angebrannt haben!»

«Gut», sagte der Teufel, «aber nun kommt die dritte Frage», und er spreizte die Beine und machte ein böses Gesicht. «Was für eine Decke habe ich euch denn gegeben, he?»

Der Bursche erwiderte, ohne sich zu besinnen: «Hättest du dem Wirt das Kuhleder nicht gestohlen, so müsste die Wirtin nicht bar­fuss gehen! »

Die zwei ältern Gesellen horchten atemlos und mit offenem Munde zu und kamen aus dem Staunen gar nicht heraus. Der Teufel aber geriet in Zorn und machte sich davon. Er liess einen so schrecklichen Gestank zurück, dass sie fast den Geist aufgeben mussten.

Quelle: Johannes Jegerlehner: Walliser Sagen, Hans Feuz Verlag Bern, 1959

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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