Der Geist von Valbert

Land: Schweiz
Region: Ajoie
Kategorie: Sage

Schon seit Hunderten von Jahren, wohnte ein Foulta, ein Geist auf der Alp von Valbert. Er half den Hirten Tag und Nacht bei der Arbeit und, wie es damals üblich war, wurde dem Foulta jeden Tag nach dem Melken ein Schälchen mit dem besten Rahm hingestellt.

Einmal musste der Hirt in die Stadt und so sagte er zu seinen Jungen: «Vergesst nicht, dem Foulta nach dem Melken sein Schälchen zu füllen.»  

Die Jungen versprachen es. Sie arbeiteten auch fleissig, tränkten, melkten und putzten die Kühe, so dass alles seine Ordnung hatte. Doch als sie dem Foulta das Schälchen füllen wollten, sagte auf einmal der älteste der Jungen: «Wir geben dem Foulta heute nichts, mal sehen, was es dann tut.»

So kam es, dass das Schälchen an diesem Tag leer blieb.

Als der Hirt erst weit nach Mitternacht in Valbert ankam, spürte er schon auf der Höhe der Chainions, dass in Valbert etwas nicht stimmte. Noch nie hatte er so viele Fledermäuse fliegen sehen und so viele Eulen gehört. «Ein Unglück liegt in der Luft», sagte er zu sich.

Oben angekommen, sah er, dass die Jungen schon alle zu Bett gegangen waren, also legte auch er sich hin, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Es war ihm, als wäre ein Flüstern vor dem Haus, ein Klagen in der Scheune, ein Heulen im Wald. Die Balken knackten und auf einmal kam Wind auf, immer stärker. Das Haus erzitterte, die Fenster klirrten, die Schindeln flogen vom Dach und der Hirt hörte eine Stimme die ächzend rief:

«Jules! Jules! Steh auf, du musst häuten, viel häuten.»

Die Angst packte ihn, er weckte die Jungen und wollte nach den Tieren sehen, aber der Stall war leer, keine Glocke, keine Schelle weit und breit.

 «Vielleicht hat ein Landstreicher sie losgebunden», meinte einer der Jungen. Doch der Älteste sah auf einmal die Spuren, sie führten alle in eine Richtung. Mit der Laterne folgten sie ihnen bis zum Felsen von Monvoie, dann sahen sie das Unglück: Die ganze Herde war in den Abgrund gestürzt. Alle tot, selbst das kleinste Kalb. Das war die Rache des Foulta und es nützte nichts, dass sie nun wieder jeden Tag das Schüsselchen mit Rahm füllten, das Foulta hatte Valbert für immer verlassen.

Fassung Djamila Jaenike, nach: G. Lovis, J. Surdez, Vieux Contes du Jura, Porrentruy 1991, unter dem Titel: «Le foulta».  Aus dem Französischen übersetzt  und neu erzählt unter Mitwirkung von Maggie Widmer © Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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