Sage aus der Region: Das Burgfräulein
Vogt Walter von Stadion, der die Burg auf dem heutigen Klosterhügel in Näfels bewohnte, plagte und bedrückte seine Untertanen gar sehr. Von Zeit zu Zeit schickte er sein Burgfräulein Katharina ins Dorf, die Leute auszuhorchen. Die guten Leute erschraken jedes Mal, wenn das Fräulein an ihre Türen klopfte, denn sie hatten hart genug erfahren müssen, dass man die Kundschafterin nicht ungestraft anlügen konnte. Das Fräulein aber trug alle Nachrichten und Gerüchte schnurstracks ihrem Herrn auf dem Schloss zu.
Das wäre wohl noch lange so gegangen, wenn nicht eines Tages der Vogt mit seinem Fräulein in Streit geraten wäre, und weil es drohte, es werde seine geheimen Schandtaten überall bekanntmachen, liess es der Burgherr durchs Schwert hinrichten.
Nun sahen die Dorfbewohner mit Grauen jeden Abend, wie das Fräulein in einem blutigen Kleide zum Brunnen kam, Wasser schöpfte und es zur Burg hinauftrug. Vergeblich wurde es von jungen, wagemutigen Burschen verfolgt. Erst nach langer Zeit, als der Geistergang aufhörte, beruhigten sich die Dorfleute wieder.
Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953