Es war einmal, und es war auch nicht. Es war einmal ein armer, junger Mann, der lebte allein mit seiner Mutter. Jeden Tag ging er in den Wald, sammelte Holz und schleppte es dann auf seinem Rücken in die Stadt, um es zu verkaufen. Eines Tages war er so müde, dass er sich an einen Baum lehnte und laut rief: «Uff! Uff!» In diesem Moment öffnete sich der Baum, ein Geist kam heraus und sprach: «Mein Name ist Uff, du hast mich gerufen, was willst du?» Der junge Mann antwortete: «Ich will nichts von dir. Ich war nur so müde und habe mich an diesen Baum gelehnt. Da habe ich laut ‹uff› gesagt.» Der Geist sah den Burschen an und gab ihm einen kleinen Kasten. «Nimm diesen Kasten und wenn du mich brauchst, komm hierher zurück, und rufe mich. Du darfst aber auf keinen Fall sagen: ‹Öffne dich, mein Kasten!›» Mit diesen Worten verschwand der Geist.
Der junge Mann trug den Kasten nach Hause und erzählte seiner Mutter, was er erlebt hatte. «Stell dir vor, der Geist gab mir diesen Kasten und wies mich an, auf keinen Fall zu sagen: ‹Öffne dich, mein Kasten!›» Kaum hatte er dies gesagt, öffnete sich der Kasten. Heraus kamen Teppiche, die sich auf dem Boden ausbreiteten und dazu alles mögliche an gutem Essen und Getränken. Arm und hungrig, wie sie waren, freuten sich Mutter und Sohn über die herrlichen Sachen. Als sie genug hatten, sagte der junge Mann: «Schliess dich, mein Kasten», und der Kasten klappte zu und stellte sich von selbst auf ein Wandbrett.
«Mutter, ich möchte den Padischah zu diesen guten Speisen einladen.» Doch die Mutter hatte ihre Zweifel. «Wo soll der Padischah sich denn hinsetzen? Hier ist ja für uns kaum Platz genug.» Der junge Mann liess sich jedoch nicht von seinem Plan abbringen. Er ging in den Palast und lud den Padischah und dessen Wesir zum Essen ein. Als diese die arme Hütte ihres Gastgebers sahen, wunderten sie sich. Aber sie setzten sich auf zwei Holzklötze und sahen sich um. Kein Feuer brannte im Herd. Kein Essen stand bereit. Der junge Mann holte nun den Kasten von seinem Platz und sagte: «Öffne dich, mein Kasten.» Und wie beim ersten Mal kamen Teppiche aus dem Kasten und darauf stellten sich unzählige Speisen und Getränke. Eine solche Auswahl hatte selbst der Padischah noch nie gesehen. Als alle satt waren, sagte der junge Mann: «Schliess dich, mein Kasten.» Der Kasten klappte zu und stellte sich von selbst zurück auf das Wandbrett. Der Padischah aber gab dem Wesir heimlich ein Zeichen, den Kasten unbemerkt mitzunehmen. Als sich die Gäste verabschiedeten, liess der Wesir den Kasten in den weiten Ärmeln seines Kaftans verschwinden.
Kaum waren die Gäste fort, bemerkte die Mutter, dass der Kasten fehlte. Der junge Mann weinte und machte sich schliesslich auf zum Baum, wie es ihm der Geist gesagt hatte. «Uff!», rief er, als er dort angekommen war. Der Baum öffnete sich, der Geist erschien und fragte: «Was ist? Hast du dir den Kasten stehlen lassen?» Der junge Mann erzählte, was er erlebt hatte. Da gab ihm der Geist einen Knüppel. «Hüte dich zu sagen: ‹Knüppel aus dem Sack!›» Dann verschwand er.
Erleichtert machte sich der junge Mann auf den Heimweg. Wieder erzählte er seiner Mutter, was sich ereignet hatte und welche Anweisungen der Geist ihm diesmal mitgegeben hat: «Ich darf nicht sagen: ‹Knüppel aus dem Sack!›» Kaum hatte er dies gesagt, da sprang der Knüppel aus dem Sack und begann auf ihn einzuprügeln. «Halt ein, mein Knüppel», rief dieser erschrocken, da hörten die Prügel auf und der Knüppel verschwand im Sack. Der junge Mann nahm den Sack mitsamt dem Knüppel und ging damit zum Palast. Als er endlich zum Padischah und dem Wesir vorgelassen wurde, flüsterte er: «Knüppel aus dem Sack!» Der Knüppel sprang heraus und schlug den Padischah und den Wesir, bis die beiden riefen: «Hilfe, ruf deinen Knüppel zurück!»
«Nur wenn ich meinen Kasten zurückbekomme», sagte der junge Mann. Da holte der Wesir den Kasten, der Bursche befahl: «Halt ein, mein Knüppel!» und machte sich mit den beiden Zauberdingen zurück zum Baum, wo der Geist wohnte.
«Uff! Ich habe meinen Kasten zurück.» Der Geist sah ihn an, gab ihm einen Esel und sprach: «Hüte dich zu sagen: ‹Schrei, mein Esel!›» Dann verschwand er und der Baum verschloss sich wieder. Zuhause erzählte der junge Mann der Mutter: «Er hat mich gewarnt. Ich darf nicht sagen: ‹Schrei, mein Esel!›» Kaum hatte der Esel das gehört, da öffnete er sein Maul und begann Münzen auf den Boden zu spucken. Der junge Mann und seine Mutter nahmen den Kasten, den Knüppel und den Esel und gingen in ein fernes Land. Dort bauten sie sich einen Palast und lebten glücklich.
Fassung Anina Meile, P. N. Boratav, Türkische Volksmärchen, Berlin1968