Der tapfere Näsni

Land: Tschetschenien
Kategorie: Schwank

Es lebte einmal ein Mann, der hiess Näsni, der war sehr ängstlich. Am meisten hatte er Angst vor Fliegen. Wenn eine Fliege vorbeiflog, versteckte er sich unter einer Decke, so sehr fürchtete er sich.
Einmal aber hatte Näsni Bauchweh und musste auf das Klo. Doch das war draussen vor dem Haus und dort waren viele Fliegen. Deshalb nahm Näsni seinen Säbel mit. Er trat vor das Haus und fuchtelte damit wie wild in der Luft herum. Und stellt euch vor: Er traf drei Fliegen, so dass sie tot zu Boden fielen. Näsni schaute auf die toten Fliegen und sagte zu sich: „Ich habe drei Fliegen auf einmal erschlagen, ich bin ein Held! Sicher könnte ich auch die riesigen Narten töten!“
Er ging zum Schmied und liess auf seinen Säbel schreiben: „Das ist der Säbel von Näsni, der dreiundsechzig Narten erschlagen hat.“
Näsni hängte sich den Säbel um, nahm er ein Säckchen Mehl mit und machte sich auf den Weg in die Welt, um allen zu zeigen, dass er ein Held war.
Er ging lang, er ging kurz und kam zu einer Schlucht, dort stand ein Birnbaum. “Hier will ich mich ausruhen“, dachte Näsni. Er legte Beutel mit Mehl auf den Boden, bedeckte ihn mit Erde und schlief ein.
In der Schlucht lebten sieben Narten, das waren Riesen. „Wer schläft dort unter unserem Baum?“, fragten sie.
Der mutigste unter den Riesen ging näher und schaute sich den Schlafenden an. Er sah den Säbel und las: „Das ist der Säbel von Näsni, der dreiundsechzig Narten erschlagen hat.“ Voller Angst wollten sich die Narten davonschleichen, da wachte Näsni auf. Er sah die sieben Riesen, sprang auf und rief: „Wartet, ich will euch zeigen, wie stark ich bin!“. Er nahm seinen Säbel, hob ihn in die Luft und stampfte mit dem Fuss fest auf den Boden, wo das Säckchen Mehl versteckt war, so dass das Mehl in alle Richtungen stob.
„Seht nur“, rief Näsni, „ ich bin so stark, dass die Erde zu Staub wird, wenn ich darauf trete.“
Die Riesen staunten und sprachen schliesslich: „Wir haben noch nie jemanden gesehen, der so stark ist wie du. Bitte bleib bei unserem Volk. Du darfst unsere Schwester heiraten und bekommst die Hälfte von unserem Reichtum.“
Näsni war einverstanden. Die Narten bauten ihm ein Haus und Näsni zog mit der Schwester der Narten dort ein und lebte zufrieden.
Eines Tages erschien ein Nashorn im Wald, in der Nähe vom Dorf der Narten. Das war so gefährlich, dass es sogar Menschen tötete.
„Wir müssen es fangen“, sagten die Narten und holten Näsni, damit er mit ihnen auf die Jagd ging. Näsni wollte erst nicht, aber seine Frau schickte ihn los und so schlich er den Riesen hinterher. Im Wald kletterte er auf den ersten Baum, um sich dort zu verstecken. Genau unter diesem Baum aber hatte das Nashorn sein Versteck. Als floh vor den Riesen durch den Wald zu seinem Baum und stiess es mit seinem Horn an den Stamm. Näsni fiel vor Schreck herunter, direkt auf das Nashorn und hielt sich an dessen Horn fest. Erschrocken sprang das Nashorn mit Näsni auf dem Rücken in Richtung Dorf.
Die Riesen sahen die beiden kommen, schossen das Nashorn tot und fragten: „Weshalb sitzt du auf dem Nashorn?“
„Ich wollte es zähmen,“ sagte Näsni, „aber leider habt ihr es umgebracht.“
Er tat so, als wäre er beleidigt, doch in Wahrheit zitterten ihm die Beine vor Angst.
Nicht lange darauf kamen fremde Soldaten und wollten die Riesen überfallen.
„Holt Näsni“, sagten die Riesen, „er soll mit uns kämpfen!“.
Näsni hatte keine Lust, doch seine Frau schickte ihn los. Da schlich Näsni heimlich zu den Pferden, um zu fliehen. Er konnte aber nicht gut reiten, deshalb suchte er sich das älteste Pferd aus. Er stieg auf und ritt davon. Als das Pferd das Schiessen der Gewehre hörte, wieherte es laut und sprang in Windeseile Richtung Feinde. Näsni versuchte sich an einem Baum festzuhalten, aber das Pferd war so schnell, dass er den Baum gleich mitriss. Zusammen mit dem Baum rannte das Pferd alle Feinde um, sodass sie flohen und nie mehr wiederkamen.
Mit Jubel wurde Näsni ins Dorf geführt, und alle erzählten von seinen Heldentaten. Das Schwert hängt noch immer dort in seiner Hütte. Wenn du es nicht glaubst, kannst du hingehen und nachschauen.

Fassung Djamila Jaenike, nach: A. Dirr, Kaukasische Maerchen, Jena 1922, © Mutabor Märchenstiftung

The brave Näsni

There once lived a man called Näsni who was very fearful. He was most afraid of flies. When a fly flew by, he hid under a blanket, he was so afraid.

One time, however, Näsni had a tummy ache and had to go to the toilet. But it was outside the house and there were lots of flies there. So Näsni took his sabre with him. He stepped outside the house and waved it wildly in the air. And just imagine: He hit three flies so that they fell to the ground dead. Näsni looked at the dead flies and said to himself: "I've killed three flies at once, I'm a hero! Surely I could kill the giant Narten too!"

He went to the blacksmith and had the following written on his sabre: "This is the sabre of Näsni, who killed sixty-three Narten."

Näsni hung the sabre around his neck, took a bag of flour and set off into the world to show everyone that he was a hero.

He walked long and short and came to a ravine where there was a pear tree. "I want to rest here," thought Näsni. He put bags of flour on the ground, covered it with earth and fell asleep.

Seven Narten lived in the ravine, they were giants. "Who is sleeping under our tree?" they asked.

The bravest of the giants went closer and looked at the sleeping man. He saw the sabre and read: "This is the sabre of Näsni, who has slain sixty-three Narten." Full of fear, the Narten wanted to sneak away, but Näsni woke up. He saw the seven giants, jumped up and shouted: "Wait, I want to show you how strong I am!". He took his sabre, raised it in the air and stamped his foot firmly on the ground where the bag of flour was hidden, sending the flour flying in all directions.

"Look," cried Näsni, "I am so strong that the earth turns to dust when I step on it."

The giants were amazed and finally said: "We have never seen anyone as strong as you. Please stay with our people. You can marry our sister and get half of our wealth."

Näsni agreed. The Narten built him a house and Näsni moved in with the Narten sister and lived happily.

One day, a rhinoceros appeared in the forest near the Narten village. It was so dangerous that it even killed people.

"We have to catch it," said the Narten and fetched Näsni to go hunting with them. Näsni didn't want to at first, but his wife sent him off and so he crept after the giants. In the forest, he climbed the first tree to hide there. But the rhinoceros was hiding under this very tree. The rhinoceros fled from the giants through the forest to his tree and hit it on the trunk with his horn. Näsni fell down in fright, directly onto the rhinoceros and held on to its horn. Startled, the rhino jumped towards the village with Näsni on his back.

The giants saw the two coming, shot the rhino dead and asked: "Why are you sitting on the rhino?"

"I wanted to tame it," said Näsni, "but unfortunately you killed it."

He pretended to be offended, but in truth his legs were trembling with fear.

Not long afterwards, strange soldiers came and wanted to attack the giants.

"Get Näsni," said the giants, "he should fight with us!".

Näsni didn't feel like it, but his wife sent him off. So Näsni secretly sneaked to the horses to escape. But he wasn't very good at riding, so he chose the oldest horse. He mounted it and rode off. When the horse heard the guns firing, it neighed loudly and leapt towards the enemy at lightning speed. Näsni tried to hold on to a tree, but the horse was so fast that he pulled the tree down with him. Together with the tree, the horse ran down all the enemies, causing them to flee and never come back.

Näsni was led into the village with cheers and everyone told of his heroic deeds. The sword still hangs there in his hut. If you don't believe it, you can go and have a look.

Fassung Djamila Jaenike, nach: A. Dirr, Kaukasische Maerchen, Jena 1922, englische Fassung L. Jaenike © Mutabor Märchenstiftung

Tschetschenien gehört als autonome Republik  zu Russland und erlebte in den letzten Jahrzehnten bereits zwei Kriege. Im Unabhängigkeitskrieg 1994 wurde ein grosser Teil Tschetscheniens verwüstet und bis zu 200'000 Menschen wurden Opfer der Gewalt. Der zweite Unabhängigkeitskrieg endete nach zehn Jahren in 2009. Die Unterdrückung und Gewalt durch die eingerichtete Diktatur zwingt viele Menschen zur Flucht. 

 

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