Wie die Zwerge aus dem Engital vertrieben wurden

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Weit von allen Leuten fort, hoch über Mürren, liegt, in den Felsenfalten der Berge so gut versteckt, das Engital. Es ist eine kleine, ringsum abgeriegelte, schöne Hochwelt für sich.

Wen sollte es Wunder nehmen, dass in vergangenen Zeiten die Zwerge hier heimisch waren! Oben am Schwarzgrat hausten sie in einer Höhle. Alle Bergleute taten ihnen zulieb, was sie konnten, denn man hatte es ja sattsam erfahren, warum Dörflein und Weidscheunen vor Erdrutsch und Lawinennot je und je verschont geblieben waren. Brach irgendwo an der Bergflanke das Unheil los, so beinelten die Engitalzwerge blitzschnell, wie auf Zauberwort, an die Abbruchstelle, hockten dort auf die obersten sich bewegenden Schnee- oder Erdmassen und wiesen dem brodelnden Durcheinander den Weg neben Scheune und Wohnstatt vorbei.

Ein Mürrner, ein garstiger Racker, lief Sommer für Sommer vor Tau und Tag hoch ob dem Holzwuchs dem letzten Büschel Wildheu nach. Der Bauer wusste vom Hörensagen, dass die Zwerge menschliche Arbeit im geheimen oft besorgen. Er hatte aber die Erdmännchen auf der Latte, denn ihm halfen die kleinen Kröten weder Stich noch Hack. Der einfältige Glinggi (Tolpatsch) wusste nicht, dass sie einem Batzenklemmer nie und nimmer an die Hand gehen.

Sobald die Sonne hoch oben im Engital anschlug, kamen die winzigen Leutchen aus der Höhle, um sich der tauglitzernden Morgenstund zu freuen. Mühelos und wieselflink sprangen sie über die Stotzhalden.

An einem Sommermorgen, der klarer war als der Kristallstein — die Berge standen nur zu sichtig — da sah der Wildheuer, dass die Murbenden (Murmeltiere), diese lustigen Grasaffen, schon früh in ihre Löcher hineingeheuet hatten. Jaa nu — ein Wetterumschlag in ein paar Tagen konnte ihm nichts mehr anhaben. Es schien ihm aber alles widerhaarig zu gehen. Die flaumzarten Morgenwolken im Blauhimmel schmolzen; das war ein untrügliches Zeichen, dass es ander Wetter machen wollte, schon am Tag darauf, und er hatte ja so aussergewöhnlich viel Liegendes auf beiden Talseiten. Am Morgen waren ihm die Engitalleutchen durch den Rest des Stehenden gestrüelt, und das hatte er auf dem Strich. Obschon ihm das, was die Zwerge verdarben, kaum einen Futtertuchbündel voll ausmachte, beschloss er trotzdem, ihnen einen bösen Streich zu spielen.

Am folgenden Morgen war die schlimme Wetterleid; da. Des triefendnassen Gasterentages (Tag, wie gemacht zum Liegen auf dem Heulager) ungeachtet stieg der Heuer bereits in der Frühe durch Nebel und Regen hinauf ins Tal, wälzte grosse Steine vor die Erdmännleinhöhle und hielt die armen Stünggeli so lange gefangen, bis nach Tagen die Sonne wieder die Wolken durchbrach.

Wie sie heraus konnten aus dem finstern, feuchten Loch, luden sie weinend und wehklagend ihr Hab und Gut auf den Rücken und gingen für immer fort, weit über alle Berge.

Quelle: Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Wengen 1936.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)