Die Hufenfluh liegt am rechten Ufer der Aare im Zurzacher-Bezirke; sie ist eine Felswand mit einer grossen und tiefen Höhle. Darinnen wohnen jetzt noch Erdmännchen und Erdweibchen, die ehemals all ihren Bedarf an Brod und Mehl in der Thalmühle zu holen pflegten. Eben dahin hatte sich eine wunderbar kleine Dienstmagd verdungen gehabt, die auch ein solches Erdweibchen war. Sie begnügte sich in Speise und Trank mit allem, was die übrigen Hausgenossen ihr gaben, lebte mit dem Gesinde in bestem Frieden und war von einer ganz unermüdlichen Arbeitsamkeit. So ward sie den Leuten immer lieber und man hatte sie in allem viel zu nothwendig, als dass es einem noch beigefallen wäre, sich ein Grausen an ihrer bedenklichen Abkunft zu nehmen.
Einst, da sie eben eine gar grosse Bürde Gras auf dem Kopfe heimtrug, kam ein kleines Männchen von der Hufenfluh her ihr auf die Matten entgegen und sagte ihr ein Wörtchen ins Ohr; sogleich legte sie die Bürde ab und ohne nur ein anderes Fürtuch umgethan zu haben gieng sie, wie sie war, mit ihm hinweg. Man glaubte in der Mühle ganz bestimmt an ihre baldige Rückkehr, aber niemand bekam sie mehr zu sehen.
Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 275
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchen.ch