Kinderpopanzen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

a) Auf dem Hundsrügge, einem langgestreckten Hügel am genannten Orte, zwischen dem Rotsee und Buchrain lebte einst ein böses Weib. Der Furie zu entgehen nahm ihr Mann Handgeld, zog in den Krieg und fand bald den Tod. Die Frau daheim freute es, wieder ledig zu sein, in der Hoffnung einen neuen Ehegenossen nach ihrem Herzenswunsch zu gewinnen. Allein sie blieb des Freiers bar und ging deshalb endlich auf schauderhafte Gedanken ein. Sie schrieb es nämlich dem Umstande zu, dass sie aus der ersten Ehe zwei Töchter hatte, dass um die Mutter keine Werbung erfolgte. Winterszeit war da, der waldige Hundsrügge tief mit Schnee bedeckt und grosse Kälte herrschte; kurz die Umstände der Zeit und des Ortes begünstigten den Plan einer Rabenmutter. Sie wartete die beste Gelegenheit ab und führte, von den Nachbarn unbemerkt, die Mädchen weit weg in den tiefen Tann hinein, wo sie sich ihnen entzog und nach Hause eilte. Die armen Kinder suchten umsonst die Spuren der Mutter und den beschneiten Pfad nach Hause. Kälte und Hunger, die schlimmen Bundesgenossen der Mörderin, halfen das ihrige mit, dass in einigen Stunden zwei Kindesleichen erstarrt da lagen. Des andern Tages eilte die heuchlerische Frau jammernd und händeringend in die nachbarlichen Häuser, die Mädchen zu erfragen. Fremdes Mitleiden bot allem auf, die Verlorenen zu entdecken, jedoch, bei diesem Wetter, umsonst. Erst lange hernach fand ein Holzhauer die beiden Entseelten fest umschlossen in einer Decke von Schnee und Eis. Indessen wachte in der ahnungsvollen Brust manch' eines Umwohners der leider nur zu wohl begründete Verdacht schrecklicher Untat wider die Verbrecherin auf, die Freier kamen nicht, sie flohen vielmehr und - als es wieder Winterszeit war, stürzte eines Tages eine Wahnsinnige dahin in jenen Tann zum Orte, wo die Leichname gelegen. In furchtbaren Tönen stiess sie die Namen ihrer Kinder aus, wühlte sich die Finger im eisigen Boden blutigwund und wühlte tief und tiefer, immer umsonst die Kinder suchend, bis sie endlich erschöpft dahinsank und dann verendete.

Jetzt irrt sie noch umher bei dunkeln und kalten Nächten in den Wäldern und Klüften jener Gegend. Und wenn etwa arme Kinder dort im beschneiten Forste Reiser sammeln, hören sie oft ganz nah eine Stimme, die bald stöhnt, bald ächzt, bald jammervoll schreit und unter dem ängstlichen Rufe: „Das Nachthuri", eilen sie verstört nach Hause, um nicht vom Unhold erwischt und in den Sack geschoben zu werden.

 

b) Bölimann ist ein ebenso allerorts gebrauchter Schreckname, der einen bösen, Kinder in seinem Sack entführenden und ausser der Menschennatur stehenden Butz andeutet. Er ist überall und nirgends zu Hause. Die Ableitung des Wortes ist dunkel. In Unterwalden nennt man ihn auch Bölibautsch. - Den Bölimann muss bisweilen der Geuggel, 's Bauggi vertreten.

 

c) Der Böggel steht ebenfalls dem vorigen nahe und ist nach Rochholz von Bock abzuleiten. Um Lungern muss der Nachtböggel die Kinder heimjagen.

 

d) Das Mamuggi und Seemuggi, womit man in Zug die Kinder bedrohte, enthält ebenfalls den Begriff des halbunterdrückten Schreiens, „Müggens".

 

e) Nachtheuel muss wiederum in vielen Gegenden den Kinderfeind spielen. Diese denken dann wohl an die zunächst liegende Erklärung des Namens und stellen sich eine böse Eule, Heuel, Hüwel, Hu, Hau vor. Den ursprünglichen Zusammenhang mit Frau Holle hat das Volk vergessen und erst die Wissenschaft hat ihn wieder hergestellt.

 

f) Ganz lokal dient in Rickenbach das Bogetegüggi zum Kinderschreck. Der Bogetewald ist sein Bezirk, in dem es gerne Vorbeigehende neckt und ihnen „aufhockt", dass sie 's unter Angst und Keuchen eine Strecke weit tragen müssen.

 

g) Wie man an einigen Orten mit der Sträggelennacht die Kinder schreckt; so geschieht dies um Kerns in Obwalden mit der „Stüpfelenacht", weil da eine böse Hexe herumläuft und die unfolgsamen Kleinen stüpfelt und plagt.

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Bei Teilen dieser Sage gibt es keine genaue Zuordnung zu einem der fünf Kantone. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

 

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