Das verbannte Gespenst

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor bald hundert Jahren war in einem Hause im Kleinteil ein entsetzlich bösartiges Gespenst. Dasselbe tat den Hausbewohnern alles Erdenkliche z'leid; bald schüttete es ihnen Wasser in's Feuer, verderbte die Käse, versteckte Haus- und Speicherschlüssel, rumorte im Gaden, band zwei Kühe an eine Kette, die man dann wieder mit der Mistgabel öffnen musste, bald erfrechte es sich die kleinen Kinder ganz nackt aus der Wiege zu nehmen und in eine dunkle Ecke oder unters Bett zu verstecken, so dass die geängstigten Eltern als probates Mittel hingegen sich veranlasst sahen, das offene Sackmesser in den drei höchsten Namen oben in die Wiege zu stecken. Überhaupt war es bald nicht mehr zum Aushalten in diesem Hause. Muhte jemand nachts aus dem Hause, so legte das Gespenst runde Hölzchen auf die Stiegentritte, so dass der ahnungslose Gänger die Stiege hinunterpurzelte; zur Winterszeit begoss es Stiegen und Böden mit Wasser, sodass dieselben gefroren. Einmal hat es sogar den Ofenlochdeckel mitten im Winter durch ein geschlossenes Fenster in's Freie geworfen, so dass die Hausbewohner halb erfroren. Begreiflicherweise sann man auf Abhilfe. Man liess die besten Geisterbanner kommen, sie konnten aber nichts ausrichten, es lachte dieselben nur aus. Als einmal ihrer vier oder fünf da waren und unter diesen sogar ein fahrender Schüler, die das Gespenst austreiben wollten, lachte es noch am stärksten und hielt einem jeden von ihnen seine Laster vor. Zuletzt rief es ihnen noch zu, gegen Emmetti zeigend:

„Dert änä ist äs Mändli,

Er hed äs schwarzes Gwändli,

Wenn äch jetz dä nu hälf,

Dä fürchteti meh as iwernä zwölf."

Sofort lief ein Hausbewohner nach der bezeichneten Richtung und fragte in jedem Haufe nach dem Mändli mit dem schwarzen Gwändli. In einem dieser Häuser war nun Kaplan Bieler bei einer schwerkranken Person. Es wurde ihm nun, da man in ihm das gefürchtete Mändli erkannte, die Bitte vorgetragen, mitzukommen und die geplagten Leute von dem Gespenste zu erlösen. Kaplan Bieler schlug den Liebesdienst nicht ab und begab sich zu dem polternden Geiste. Wie nun der Kaplan dem Hause näher kam, verführte das Gespenst ein ohrenbetäubendes Geschrei und versteckte sich zu oberst in der Ruhdiele. Kaplan Bieler begab sich dorthin und Schritt für Schritt muhte das Gespenst weichen. Der Kaplan hatte zwar eine grosse, heisse Mühe, bis das Gespenst über die letzte Türschwelle geflohen war; an jedem seiner Härchen hingen dicke Schweisstropfen. Auch das Gespenst war müde, und setzte sich vor dem Hause auf den Erdboden, wo der Rasen allsogleich verbrannte und Jahre lang nichts mehr wuchs. Vor dem Haus konnte man aber das Gespenst auch nicht haben, es musste irgendwohin, an einen verlassenen Ort verbannt werden, wo es weder Menschen noch Vieh mehr belästigen konnte. Und da war kein geeigneterer Ort als bei der grossen Stäubi im Altibachtobel. Kaplan Bieler hat das Gespenst nun dorthin verbannt, jedoch nur für 100 Jahre, dann kann es wieder kommen.— Das Gespenst ist eine Weibsperson in alter Tracht mit einem Stansertäfel; was es gesündigt hatte und wie lange es wandeln müsse, hat es dem Kaplan Bieler nicht gesagt.

Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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