Der Schnee bedeckte das Land, der Eiswind zog über die Ebene und die Polarfüchse hatten ihr weisses Winterfell bekommen. Der Fuchsvater war von früh bis spät unterwegs, um Futter für seine Familie zu suchen, aber die Beute war kläglich. Er selbst ass immer nur ein paar Bissen, damit die Kinder nicht hungern mussten. Wie er eines Tages wieder durch die Gegend streifte und etwas Essbares suchte, stieg ihm plötzlich ein herrlicher Geruch in die Nase. Er streckte die Nase in die Luft und witterte. Tatsächlich! «So riechen Robben, wenn mich nicht alles irrt», sagte er sich. Aber kaum hatte er die Nase wieder heruntergenommen, um das Loch im Eis aufzuspüren, da war auch der Geruch weg. Der Fuchs lief hin und her, suchte die ganze Umgebung ab, aber er konnte keine Robben entdecken. Nur der aufreizende Geruch strich ihm hin und wieder um die Nase.
«Ich bin schon ganz toll», sagte er zu Hause zu seiner Frau. «Überall rieche ich Robben und kann doch beim besten Willen keine aufspüren.»
«Heute ist es schon zu spät, aber morgen versuchen wir es gemeinsam», entschied die Füchsin.
Am Morgen zog die Füchsin den Kindern Schuhe an, und die ganze Familie zog los.
«Riechst du es?», fragte der Fuchs, als sie an die Stelle kamen, wo er gestern nichts gefunden hatte.
Die Füchsin witterte, und wirklich, auch sie meinte einen schwachen Robbengeruch wahrzunehmen. Nun suchten sie gemeinsam, und es dauerte nicht lange, da fanden sie heraus, von wo der Geruch herkam. Ein Stück weiter lag im Eis ein toter Wal. Die Füchse wollten ihren Augen nicht trauen. So ein Berg Fleisch! Sie überlegten nicht lange, bissen eine Höhle in den Wal und liessen sich gleich dort nieder.
Der Fuchs war auf einmal alle Sorgen los. Er brauchte nicht mehr von früh bis spät durch die Gegend streifen und sich die Beine wundlaufen. Jeder konnte sich den Bauch vollschlagen, brauchte nur den Hals auszustrecken. Und dabei nahm der Vorrat kaum ab. Ach, war das ein Leben!
Doch die herrlichen Tage sollten nicht ewig dauern. Einmal schaute der Fuchs aus seinem Walbau hinaus und sah am Horizont ein Rudel Wölfe.
«Was fangen wir nur an?», erschrak er. «Die Wölfe wittern den Wal ganz bestimmt und werden uns verjagen und sich selbst hier niederlassen wollen.»
«Wir müssen uns schnell etwas einfallen lassen», sagte die Füchsin und dachte angestrengt nach. «Ich hab’s! Schnell, Kinder, alle hinaus!»
Sie schubste die Kinder aufs Eis. «Wir werden so tun, als seien die Jäger hinter uns her.»
Die Fuchsfamilie rannte den Wölfen entgegen.
«Was rennt ihr denn so? Was ist denn los?», fragten die Wölfe.
«Die Jäger sind hinter uns her!»
Als das die Wölfe hörten, machten sie auf der Stelle kehrt, jagten davon und waren im Nu in der Ferne verschwunden. Als sie ausser Sicht waren, kehrten die Füchse zufrieden in ihren Bau zurück. Und wenn sie nicht gestorben sind, schmausen sie dort noch heute.
Aus: Wintermärchen aus aller Welt, © Mutabor Verlag