Auf einer saftigen Wiese an einem Fluss graste ein Pferd. Es rupfte zufrieden Gräser, als auf einmal ein Mücke erschien. Sie flog um den Kopf des Pferdes, schwirrte zu den Ohren und liess sich dann dort nieder. Das Perd schüttelte verärgert den Kopf, so dass die Mücke aufflog, doch kurz danach setzte sie sich wieder an die gleiche Stelle.
„Schüttle nur deinen Kopf“, sirrte die Mücke schadenfroh, „ich komme immer wieder!“
Das Pferd wackelte mit den Ohren, liess sich aber nicht weiter stören.
Das ärgerte die Mücke.
„Du bist zwar gross, stark und schnell“, meinte sie. „Aber trotzdem setzen sich die Menschen auf deinen Rücken, und du musst für sie arbeiten. Ich aber bin winzig klein, doch die Menschen fürchten sich vo mir. Wenn ich in ihre Nähe komme, dann fuchteln sie ängstlich mit den Armen. In der Nacht können sie wegen mir nicht schlafen und am Tag störe ich sie beim Arbeiten. Wenn man es also genau betrachtet, dann bin ich stärker als du.“
„Das mag ja sein, die du die Menschen verschreckst“, sagte das Pferd friedfertig, „aber mich störst du nicht, auch nicht, wenn ein ganzer Schwarm von deinesgleichen sich auf meinen Rücken setzt.“
Verärgert rief die Mücke: „Das soll dir noch leid tun, dass du mich so beleidigst. Ich werde dir beweisen, dass wir Mücken stärker sind als du!“ und mit diesen Worten flog sie wütend davon.
Sie rief alle Mücken zu sammen und rief sie zum Kampf auf. Die Mücken kamen zu Tausenden aus dem Fluss, den Teichen, Sümpfen, Feldern, Gärten und Wäldern angeschwirrt. Sie vereinigten sich zu einem grossen kampfbereiten Schwarm und griffen das Pferd an.
Sie setzten sich auf dessen Rücken. Das Pferd schlug ein wenig mit dem Schweif nach ihnen, um sie zu vertreiben, doch nicht lange und die Mücken setzen sich wieder. Ärgerlich schüttelte es sich, so dass die Mücken aufflogen, doch kurz darauf sassen sie wieder auf seinem Rücken.
Da wurde es dem Pferd zu viel. Es legte sich auf den Rücken, wälzte sich im Gras, so dass die ganze Mückenplage am Boden liegenblieb.
Nur die eine Mücke blieb am Leben, sie hatte von Weitem zugesehen und rief: „Siehst du, wir sind stärker, denn du wälzt dich vor Angst am Boden!“, dann flog sie schnell weiter, um allen den Sieg zu verkünden.
Und das Pferd? Es stand auf, schüttelte sich und dachte: ‹Wie dumm die Mücken doch sind, dass sie sich von einer einzigen streitsüchtigen Mücke in den Tod treiben liessen›, und graste friedlich weiter.
Aus: Kindermärchen für Gross und Klein, ©Mutabor Verlag