Das Hexenwerk auf Obersaxen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

An einem prachtvollen Morgen trieb der Hirte wie gewohnt seine Tiere aus; aber an diesem Morgen war es ihm ganz sonderbar zu Mute. Er mochte nicht blasen wie sonst, zudem hatte er eine Ahnung, als müsste heute ein grosses Unglück über die Landschaft kommen.

So trieb er aus bis er ganz müde und verstimmt, auf einen Bühl sich setzte und »Holzböcke schnitzte«;  d.h.  staunte  und staunte,  und endlich einschlief vor lauter Staunen. Es war längst Mittag und er schlief noch auf dem Hügel, und während er schlief, überzog eine kohlschwarze Wolke das blaue Himmelsgewölbe. Im Schlafe hörte er eine wunderschöne Musik, die ihn nach und nach wach rief. Er wollte weiter gehen und seine Herde suchen, aber er konnte nicht fort, die Musik war zu schön. Ein Mann, der auf einer nahen Felskuppe sass, spielte so schön auf, und durch die Luft kamen viele Gestalten geflogen, die liessen sich auf einem grünen Platz zu Boden, fingen auch gleich an zu tanzen. Der Hirte konnte von Allen Niemanden erkennen, ausser seine »Gotte«, die Andern waren Fremde. So tanzten die Gestalten und tönte gar schön die Musik dazu, bis der Tanz zu einem lärmenden Wirbel wurde, und ein entsetzliches Getöse daraus erfolgte, als ob ein heftiger Zank entstanden wäre.

Auf einmal brach ein gewaltiges Gewitter los, es blitzte schrecklich, es donnerte furchtbar, der Erdboden zitterte, alle Elemente schienen entfesselt zu sein. Eine dunkle Wolke verhüllte das tolle Schauspiel der gespenstigen Gestalten. Schauder und Entsetzen ergriffen den Hirten und in Eile rannte er heim, vergass aber Hut und Rock mitzunehmen.

Daheim wurde er wegen seines zerstörten Aussehens befragt, konnte aber kein Sterbenswörtlein hervorbringen, und kaum war er im Hause, so fing es auch da an zu blitzen, zu donnern und fürchterlich zu hageln. Dieses schreckliche Ungewitter, von dem alte Leute in Obersaxen noch genug zu erzählen wissen, dauerte fast eine ganze Stunde. Viele Stücke Vieh fand man in Abgründen zerschellt und die Saatfelder sahen aus wie Schlachtfelder. - Erst nach dem Gewitter konnte der Hirte wieder reden, und da erzählte er, was ihm begegnet; und die Gotte, die sonst immer daheim war, war richtig nicht daheim. Endlich kam sie, aber sie sah »knütschblau« geschlagen aus. Nach einer Weile wollte der Hirte Hut und Rock holen, die er in der Eile vergessen  hatte,  aber  die  waren  ganz  zerfetzt  und  zu  »Krümmeli«  zerhackt.

Und seit diesem Tage an wird jener Hügel, auf dem der Hirte geschlafen, der »Schlafbühel« genannt. Acht Tage nach diesem schrecklichen Hagelwetter fand man auf der Schattenseite der Kirche im »Mayerhofe« noch grosse Hagelsteine, in welchen Haare gewesen sein sollen. - Noch heutzutage, wenn zufälligerweise ein Haar an einem Hagelsteine klebt, sagt man, »die Hexen haben sich beim Tanzen gebalgt«.

 

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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