Die Mordnacht von Zürich

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Die Mordnacht von Zürich

Bei der Umordnung der Regierung durch Bürgermeister Brun wurden viele Bürger wegen ihrer Bosheit aus der Stadt vertrieben. Diesen lag es schwer auf, dass ein Bürgermeister mit der Gemeinde und den Zünften regieren solle . . . Sie riefen Graf Hans von Habsburg (zu Rapperswil) um Hilfe an . . . und versprachen ihm, sofern er ihnen mit Leuten und Gut beistehe . . . ‚ wollten sie ihm huldigen und ihn als Herrn . . . anerkennen.

Hierauf machte der Graf und die Verbannten mit einigen Bürgern von Zürich einen Anschlag gegen die Stadt. Sie schickten heimlich nach und nach an die 800 wohlausgerüstete Krieger nach Zürich, etliche als Pilger, andere in Heufuhren, in Weinfässern, in Streufudern. Sie wurden in Häusern ihrer Freunde versteckt. . . Am Sankt Matthistag 1350 kam Graf Hans von Habsburg mit vielen Edlen und Dienern, mit denen die Stadt Friede hatte, . . . nach Zürich. . . Die alle wollten Herrn Rudolf Brun und alle, die zu ihm hielten, bei Nacht schändlich ermorden.

Es war auch ein Graf von Toggenburg in die Stadt gekommen und in eines Bürgers Haus etliche Tage verborgen gelegen Dem war nicht ganz geheuer bei der Sache, und er verabredete mit drei anderen, die Stadt heimlich zu verlassen; sie wollten dann wieder kommen, wenn der Angriff für sie günstig verlaufe. Die nahmen also ihre Barschaft und Kleinodien, soviel sie tragen mochten, gingen zur Schipfe, weckten einen Fischer, Bachs genannt, und hiessen ihn, sie durch die Limmat hinab aus der Stadt zu führen. Als sie auf dem Fluss draussen waren, sprach einer: „Was tun wir mit dem Schiffsmann, dass er nicht verrate, wo wir hingekommen sind?“ Da antwortete ein anderer: «Sobald er landet, will ich ihn zutode stechen und ins Wasser werfen!“ Diese Worte hörte der Schiffsmann. Als er an den oberen Mühlesteg kam, in die Wasserschnelle, drehte er das Schiff um. Die Ritter fielen ins Wasser und von der Schwere der Harnische, des Geldes und der Kleinodien ertranken sie.

Nachdem der Schiffer sich gerettet hatte, weckte er seine Nachbarn, und diese wieder die anderen. Denen erzählte er, was er gehört, nämlich, dass in der Nacht etwas vorgehen solle, aber er wisse noch nicht was; sie sollten sich in aller Stille rüsten und bewaffnen. So kam es, dass in der mindern Stadt fast alle gerüstet waren, als der Streit losbrach.

Zu der Zeit, da dies geschah, besammelten sich die Mörder im Niederdorf in einem Wirtshaus unterhalb des Spitals, im Losserhaus. wie es damals hiess. Dort verabredeten sie den Anschlag und das Losungswort. Hinter dem Ofen sass aber ein armer Knabe, der alles hörte. Der schlüpfte heimlich aus der Stube und rannte zu Bürgermeister Brun, weckte ihn und erzählte ihm alles, was er gesehen und gehört hatte. Der erschrak gewaltig, weckte seinen Knecht und zog seinen Panzer an. Barfuss rannte er mit dem Knecht zum Rathaus. Kurz vor dem Rathaus tauschte er mit dem Knecht seine Kleider und schickte diesen voraus, sagte ihm aber den Grund hiefür nicht. Noch ehe sie zumRathaus kamen, drangen Mörder auf sie ein. Der Knecht wurde erstochen, weil er das Losungswort nicht kannte. Brun aber sprach: „lch heisse Petermann!“ Das war das von den Mördern verabredete Wortzeichen. So kam er an ihnen vorbei zum Rathaus. Eilends wurde er eingelassen, und sofort schickte er den Grossweibel zum Grossmünster, dass er den Sigristen stürmen heisse. Glücklicherweise trat dieser nicht auf dem gewöhnlichen Wege in den Turm, sondern durch einen Eingang, der nicht oft gebraucht wurde. Sie kamen unversehrt zur Glockenstube und begannen zu stürmen. Wären sie auf dem rechten Weg in den Turm gegangen, hätten die dort wartenden Mörder sie erstochen. Sobald die Glocken gezogen wurden, begann der Bürgermeister auf dem Rathaus Mordio zu schreien. Das hörten die Bürger in der kleinen Stadt, die von jenem Fischer geweckt worden waren, und liefen herbei. Denen gab Brun das Passwort „ich heisse Petermann“ bekannt. Sofort brachen sie in der kleinen Stadt die obere Brücke ab, soweit, dass niemand über sie dahin eindringen konnte. Dann rückten sie in guter Ordnung über die untere Brücke dem Rathause zu.

In der Marktgasse stiessen sie auf die Feinde. Die Brunschen schlugen aber so männlich und tapfer drein, dass die Mörder, deren Angriff zur rechten Zeit gestört werden konnte, sich zu ?üchten begannen. Aus den Häusern herunter erhielten die Bürger mancherlei Unterstützung, indem die Feinde mit Steinen und anderem beworfen wurden. Während der Nacht war aber zu Fuss und zu Schiff noch viel Volk vor den Toren angelangt, das auf seiten der Aufständischen hätte mitkämpfen sollen. Dieses hörte das Geschrei in der Stadt, und Böses ahnend, lief es davon. Jene, die den Weg durch die Schwirren in der Aa nicht fanden. ertranken elend, und andere, die noch auf dem See waren, wendeten die Schiffe. Am Morgen fand man viele Freunde und Feinde tot in den Gassen liegend. Viele der Feinde wurden gefangen und hingerichtet. Also konnten sich die Zünfter in der Stadt behaupten.

Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Stadt Zürich und Zürichsee
Nach Brennwald I, 181, ins Neuhochdeutsche übertragen, mit Kürzungen.

H. E. Escher bemerkt in seiner Beschreibung des Zürichsees“, 1692, dass man am Grossmünster unten am Glockenturm eine zugemauerte Türe zeige, welche dieselbe sei, an der 1350 die Aufständischen das Läuten verhindern wollten. — Den historisch glaubwürdigen Kern gibt die Chronik der Stadt Zürich S. 47. Sagenhaft ist lediglich die Ausschmückung. Auch der missglückte Überfall auf Solothurn 1382 ist in ähnlicher Weise ausgeschmückt worden.

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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