Die goldene Lampe

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Ein Müller hatte drei Töchter. Die beiden Älteren waren stolz und böse, die Jüngste aber gut und lieb.

Als der Müller eines Tages auf den Markt ging, verlangten die Älteren von ihm, dass er ein schönes neues Kleid kaufe, und die Jüngste bat ihn um einen frischen Blumenstrauss.

Der Vater ging auf den Markt und kaufte die Kleider, doch einen frischen Strauss bekam er nicht, denn es war gerade strengster Winter. Auf dem Heimweg kam er zu einem Schloss, dessen Tore sich von selbst öffneten. Er trat ein, da schlossen sich die Tore. Doch überall herrschte grosse Ruhe; das Schloss schien unbewohnt.

Nachdem er eine Treppe hinaufgestiegen war, kam er in eine Küche, wo ein grosses Feuer brannte. Auf der Herdplatte stand eine grosse Katze, die mahlte Kaffee und schaute ihn freundlich an. Nachdem sie den Kaffee zubereitet hatte, begann die Katze zu miauen, worauf eine ganze Schar Katzen herbeisprang. Auch der Müller musste sich zu ihnen setzen. Der Kaffee wurde in feinen Tassen aufgetischt, und dazu gab es die feinsten Sachen.

Nach dem Nachtessen führte die grosse Katze den Mann in ein wunderschönes Zimmer, wo er die ganze Nacht ruhig schlief.

Am Morgen ging er in den Garten, wo neben dem Brunnen ein Rosenstrauch stand. Zuoberst blühte eine prächtige Rose. Er war so glücklich, seiner Tochter den gewünschten Strauss bringen zu können, er brach die Rose ab, doch in dem Augenblick hörte er eine Stimme rufen. «Lass das bleiben!» Und eine schreckliche Schlange kroch aus dem Brunnen hervor, richtete sich gegen ihn auf und sagte zu ihm: «Weil du mir diese Rose gestohlen hast, musst du mir deine Tochter zur Frau geben, tust du dies nicht, so musst du sterben!»

Ganz traurig kam der Müller nach Hause. Er überreichte dem Mädchen die Rose und sagte: «Liebe Tochter, das ist eine teure Rose gewesen; ich habe dich dafür einer schrecklichen Schlange versprechen müssen, doch lieber will ich sterben, als mein Versprechen nicht halten!» Die beiden älteren Schwestern schimpften mit der Jüngsten und sagten, es sei recht, dass sie bestraft werde, sie habe immer etwas Ausgefallenes haben wollen; hätte sie wie sie beide ein Kleid gewünscht, so hätte sie dem Vater den Kummer erspart.

Die Jüngste tröstete den Vater und sagte, sie gehe sehr gern ins Schloss, die grässliche Schlange werde ihr bestimmt nichts zuleide tun! Sie ging hin und wurde im Schloss von den Katzen höflich empfangen, und sie führten sie nach dem Nachtessen in ein wundervolles Zimmer.

Nachts hört sie, dass etwas auf ihr Bett zukommt, doch sie getraut sich nicht, Licht zu machen. Das gleiche geschieht in der zweiten Nacht. In der dritten Nacht macht sie Licht, da sieht sie einen schönen Burschen neben sich. Es ist ein Prinz, den eine böse Hexe in eine Schlange verwandelt hat, doch jetzt ist er erlöst. Aber das Mädchen hat beim Anzünden der Lampe einen Tropfen Öl auf den Kopf des Prinzen verschüttet, so dass die Macht der Hexe über ihn nicht ganz gebrochen ist. Der Prinz nahm das Mädchen zur Braut, dann aber sagte er, jetzt müsse er in der weiten Welt herumziehen, und bevor sie nicht ein Paar eiserne Schuhe durchgelaufen habe, werde sie ihn nicht bekommen. Er verschwand, und an Stelle des Schlosses war nichts mehr ausser einem Dornbusch und einem Paar eisernen Schuhen.

Das Mädchen zog die eisernen Schuhe an, und während sie traurig weiterging, begegnete sie einer alten Frau, die wollte wissen, weshalb sie eiserne Schuhe trage, und die Alte gab ihr den Rat, diese in einen warmen Kuhfladen zu stellen, dann seien sie bald kaputt. Das Mädchen machte es so, und die Schuhe waren in einigen Monaten abgetragen.

Als sie in eine Stadt kam, ging sie zum Palast des Königs und bat, über Nacht bleiben zu dürfen. Die Königin, eine gütige Frau, erlaubte dies gerne. In der Nacht brachte das Mädchen einen Buben zur Welt, und im gleichen Augenblick hörte man eine Stimme sagen: «Die goldene Lampe und der silberne Stöpsel! Wenn deine Grossmutter das wüsste, in goldene Windeln würde sie dich wickeln. Wenn die Hähne nicht krähten und die Glocken nicht läuteten, bliebe ich bis zum Morgengrauen!» Am Abend darauf befahl die Königin zwei Dienerinnen, bei der jungen Mutter und dem Kind zu wachen.

Um Mitternacht hörten sie die Stimme und die gleichen Worte. Und da die Königin sehr neugierig war, wer das sein könnte, liess sie alle Hähne der Stadt töten und alle Glocken festbinden und wachte selbst. Und als die Stimme sagte. «Wenn die Hähne nicht krähten und die Glocken nicht läuteten, bliebe ich bis zum Morgengrauen.» - erwiderte sie: «Die Hähne krähen nicht, und die Glocken läuten nicht, also bleibe bis zum Morgengrauen!» - und herein kam ihr eigener Sohn. Es war der, welcher in eine Schlange verwandelt und durch das Mädchen erlöst worden war. Er heiratete sie dann.

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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