Holz sammeln in Gravatscha

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

In uralter Zeit wohnte in Las Agnas unten ein König, der hatte drei Söhne namens Gian, Giachem und Andreia. Eines Tages verkündete der König, dass der Wald in Gravatscha drüben zum Holz sammeln offen war. Er sagte zu seinen Söhnen: «Statt den ganzen Tag hier die Zeit zu verplempern, könntet ihr doch auch gehen und ein paar Krätzen Holz zusammenlesen.» Unsere drei Prinzen hatten nun eine "grosse" Freude an dieser Arbeit, denn sie waren natürlich nicht ans Holzsammeln gewöhnt, das war etwas Neues für sie. Nach dem Wunsch des Königs ging am ersten Tag der Älteste, Prinz Giachem. Die gute Königin war nicht besonders erfreut darüber, denn diese Arbeit schien ihr für Prinzen nicht so passend. Genug - sie liess sich von ihren Söhnen überreden und bereitete für ihren Giachem etwas Gutes zum Essen zu.

Am andern Morgen ging Giachem beim Läuten des Beverser Glöckleins zum Holzschopf, zerrte seine Krätze und die Axt hervor und machte sich auf den Weg Richtung Gravatscha. Beim Wegweiser sah er schon einen Haufen Leute im Gänsemarsch den Hang von Gravatscha hinaufstürmen. - «Geht nur weiter, ihr Dummköpfe», dachte letzt Giachem, «ich habe keine Lust, schon am frühen Morgen bis zum Umfallen zu arbeiten und mir die Knochen auszurenken.» Deshalb ging er ganz langsam bergauf und gab sich keine Mühe etwas anderes aufzulesen als Ästlein auf dem Weg, doch das Bücken hatte ihn recht bald ermüdet und ihm die Lust aufs Holz sammeln vertrieben. Er schaute auf die Sonne und dachte, es werde jetzt bald Mittag sein; er hatte auch einen tüchtigen Hunger beisammen. Als er aufblickte, sah er gleich nebenan ein schönes Plätzchen, und er ging hin, um dort sein Essen auszupacken. Da kamen ein Hähnchen, ein Stück Bindenfleisch, ein guter Salsiz und sogar Schenkeli und ein Fässchen Veltliner zum Vorschein. Als er etwas mehr nach oben schaute, sah er einen schönen Baumstrunk und dachte: «Warte, warte, den muss ich haben; es ist besser, ich gehe jetzt hin und fälle ihn vor dem Mittagessen, denn nachher muss ich mein Schläfchen halten.» Er nahm seine Axt, ging hinauf, und bum, bum, begann er, auf den Strunk zu schlagen. Auf einmal gibt es einen Knall, dass unser guter Giachem ein Stück weit fortspringt, und vor ihm steht ein kleines, ganz in Rot gekleidetes Männlein mit einem langen weissen Bart. «Guten Tag, guten Tag, Herr Prinz», sagte es, «fürchtet Euch bloss nicht vor mir, ich bin nur das Wildmännlein. Was tut Ihr hier?» - «Das geht dich einen Scheissdreck an», erwiderte der Prinz, der sich jetzt wieder hinter sein Essen gemacht hatte.

«Oho, oho», sagte das Wildmännlein, «so soll es Scheissdreck sein!» und verschwand.

Nach dem Essen und dem Schläfchen lud Giachem seine Krätze mit jenen paar Holzscheiten auf und trottete missmutig nach Hause. Der König und die Königin standen vor dem Tor draussen und warteten sehnsüchtig auf ihren Sohn. Unterdessen kam unser Giachem mit seiner Krätze, die immer schwerer zu werden schien, über die Wiesen herangekeucht. Als er in Las Agnas war, sagte der König: «Nun lass sehen, was du heute gearbeitet hast.» Giachem leert seinen Korb aus, doch auf einmal riecht man einen fürchterlichen Gestank, und der König und die Königin stehen da - von oben bis unten voll Scheissdreck. Die Königin floh mit grossem Schreck durchs Tor, denn ihr schönes grünes Seidenkleid war völlig zerstört. «O du Trottel», schrie nun der König, «da hast du uns einen schönen Streich gespielt. Schämst du dich nicht, uns so zu ärgern?» Giachem wusste nicht, was antworten, und ging fluchend zu Bett.

Am andern Tag ging Andreia Holz lesen. Doch es geschah ihm das Gleiche wie Giachem, nur dass diesmal der König und die Königin vorsichtshalber am Fenster standen.

Anderntags liess der König den Gian nicht gern in den Wald, denn er fürchtete, dass es ihm gleich ging und dachte: «Wenn es auf diese Art weitergeht, so haben wir bald den Hof voller Scheissdreck.» Doch Gian liess sich nicht abhalten, und am nächsten Morgen lief er in aller Eile mit seiner Krätze bergan. Um Mittag hatte er sie bereits voll Holz. Auch er gelangte zum selben Baumstrunk wie die andern, und - tatsächlich - das Männlein erschien wieder, gerade als Gian am Mittagessen war. «Guten Tag, guten Tag, Herr Prinz, was tut Ihr hier?» fragte es. Mit allem Anstand antwortete Gian: «Ich esse soeben zu Mittag, und wenn es Euch passt, so seid Ihr dazu eingeladen; es ist genug da für zwei.» - «Vielen Dank», sagte das Männlein, «ich esse gerne mit Euch.» Nach dem Essen sagte es: «Ich sehe, dass Ihr freundlicher zu mir seid als Eure Brüder und will mich dafür erkenntlich zeigen. Habe gehört, Ihr hättet gern die schöne Prinzessin von Holland, die vor einigen Jahren bei Euch auf Besuch war.» Gian senkte den Kopf, wurde rot und erwiderte: «Ja, ja, das ist nur allzu wahr. Seitdem die Prinzessin hier war, macht mir nichts mehr Freude.» - «Der Prinzessin geht es gleich», sagte das Männlein; «ich habe gehört, dass sie nicht mehr lacht und dass der König hat verkünden lassen, jener, der die Prinzessin zum Lachen bringen könne, erhalte die Hälfte des Vermögens oder die Prinzessin zur Frau. Wenn Ihr meinen Rat befolgt, könnt Ihr sicher sein, dass Ihr die Prinzessin bekommt.» Gians Augen begannen vor Freude zu leuchten: «Sag mir nur, was ich machen soll, ich werde mein Möglichstes tun, um die Prinzessin zu bekommen.» Jetzt verschwand das Wildmännlein in seinem Baumstrunk und erschien bald wieder mit einem dreiplätzigen, mit roten, grünen und blauen Fransen geschmückten Wägelchen und einem hässlichen und brandmageren Esel mit langen Riesenohren. Dann holte er vom Wagen ein Kleid für Gian hervor, das dieselben Fransen wie der Wagen und runde Glöcklein darauf hatte. «Zieh jetzt rasch dieses Kleid an und geh mit deinem Esel nach Holland, doch jeden, der unterwegs Hilfe braucht, sollst du mitnehmen.» Zudem gab er ihm einen Beutel voll Geld für unterwegs mit und eine Zauberpfeife, und Gian dankte ihm freundlich für seine Gefälligkeit. Dann machte er sich auf die Reise.

Er ging und ging und ging durch unermessliche Riesenwälder und begegnete schon bald einem grossen, spindeldürren Hund, der an einem Knochen nagte! Gian hielt seinen Esel an und fragte: «Was tust du hier?» Der Hund antwortete: «O Gott, o Gott! Ich bin halbtot vor Hunger! Seit vielen Monaten habe ich kein Stück Fleisch mehr erhalten.» - «Weißt du was, guter Freund, komm du mit mir», sagte Gian. Der Hund dankte ihm und sprang auf den Wagen.

Jetzt gingen sie wieder weiter über Berg und Tal, und es dauerte nicht lange, so begegneten sie einem Mann, der an einer dürren Brotrinde nagte. Er war schlapp und schien nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Gian hielt wieder an und lud ihn ein, mitzukommen. Auf der Reise erzählte der Mann, er könne nichts anderes als Brot vertragen, und es sei jetzt wirklich höchste Zeit, er habe nichts anderes bekommen als dieses kleine Stück. Während sie so sprachen, begegneten sie einem Mann mit einer blauroten Nase, der dauernd an einem Weinzapfen saugte. «Das ist doch ein sonderbares Vergnügen», sagte Gian, hielt den Esel an und fragte ihn, was er hier tue. «Unglücklicherweise bin ich ein armer Säufer und kann ohne Wein nicht leben. Doch weil ich keinen habe, bleibt mir nichts anderes übrig, als am Zapfen zu saugen.» - «O du armer Kerl», sagte Gian, «wenn dir nur das fehlt, so komm du doch mit uns; irgendwo werden wir Wein besorgen.» Unterdessen waren sie nach Holland gelangt, und der arme Esel musste nun eine rechte Gesellschaft ziehen. Wieder mussten sie durch einen Wald, und auf einmal sagte der mit dem Zapfen: «Oh, schaut dort drüben!» Alle schauten hin, und was sahen sie? Dort war ein Mann, der die Hosen heruntergelassen hatte. «Was fehlt Euch, guter Freund, Ihr werdet wohl nicht krank sein?» - «Wenn ich nicht krank bin; seit drei Tagen habe ich derart schrecklich den Dünnscheisser, dass ich mich nicht von der Stelle bewegen kann.» Alle sahen sich an und wussten nicht so recht, was anfangen; denn es war doch gewagt, den armen Alten unter diesen Umständen auf den Wagen zu nehmen. «Wisst ihr was», sagte der mit dem Zapfen, «wenn ich nicht zu lange ohne Wein sein muss, so könnte ich wohl dem Alten den Zapfen ausleihen.» Nachdem der sich den Zapfen hinten hineingesteckt hatte, kam der Mann auf den Wagen und setzte sich sorgfältig auf den dritten Sitz.

Bald gelangten sie nun in eine grosse Stadt, wo der König wohnte. Sie hielten beim ersten kleinen Wirtshaus an, und der Wirt, ein grosser, dicker Mann, kam heraus, um nachzusehen, wer da war. Als er diese Karawane erblickte, begann er sich vor Lachen den Bauch zu halten; er lachte und lachte, bis auch seine Frau herbeikam, um zu schauen, was los war. Nachdem auch sie ausgiebig gelacht hatte, sagte sie: «Um Gottes Willen, geht mir fort mit diesem Wagen, mein Mann kriegt sonst sicher einen Schlag vor Lachen.» - «Das ist ein gutes Zeichen», dachte Gian. Er fragte die Wirtin, wo er Königspalast sei. «Aha», sagte die Wirtin, «Ihr wollt sicher die Prinzessin zum Lachen bringen, aber das geht nicht so leicht. Erst heute ist einer mit einem Schafspelz und Hörnern wie der Teufel dagewesen, aber es hat nichts geholfen, und der König hat jenen armen Kerl ins Gefängnis gesperrt.» Gian vergewisserte sich mit einem Blick ob alles in Ordnung sei, dann zog er seine Pfeife hervor, welche die Kraft hatte, die Leute zum Lachen zu bringen, gab dem Esel einen Peitschenschlag und aus Leibeskräften pfeifend zog er, von einer grossen Menge begleitet, durch die Stadt. Sobald Gian einen Pfiff ertönen liess, lachte alles, dass es ein Heidenlärm war- sogar über achtzig Jahre alte Leute hielten sich den Bauch vor Lachen und konnten kaum weiter.

Unterdessen standen auf dem Balkon des Palasts der König und die Königin mit der Prinzessin, die heute trauriger war als je. Und der König und die Königin gingen ganz verzagt auf und ab, denn die schöne Prinzessin wurde von Tag zu Tag schwermütiger. Und es war nicht einmal mehr möglich, sie dazu zu bringen, dass sie auf die Strasse hinunterschaute.

Auf einmal hören sie einen fürchterlichen Lärm, und zum Platz her kommt eine grosse Menschenmenge und Gian mit dem Esel voraus. «Was kommt jetzt denn da schon wieder?» sagte die Königin. Jetzt lässt unser Gian einen Pfiff los, und gleichzeitig schaut die Prinzessin hinunter und beginnt zu lachen und zu lachen, bis ihr die Tränen kommen. Je mehr Gian pfiff, umso mehr lachte die Prinzessin, bis zuletzt der König dem Gian ein Zeichen geben musste, er solle sich entfernen. Denn der Prinzessin war es vor Lachen schlecht geworden, so dass man sie wegtragen musste. Unterdessen ging Gian zum Schreiber und sagte ihm, nach der königlichen Verordnung könne er die Hälfte des Vermögens oder die Tochter des Königs haben, und er wähle die Prinzessin. Der Schreiber liess ihn auf einem Schemel Platz nehmen, und nachdem er ihn eine ganze Weile hatte warten lassen, kam er wieder zurück und sagte: «Der Herr König ist noch nicht gewillt, Euch die Tochter zu geben. Er würde Euch gerne nochmals auf die Probe stellen. Wie Ihr vielleicht gehört habt, ist unser König sehr reich, und niemand war bis jetzt in der Lage, all seinen Wein auszutrinken, all sein Brot und sein Fleisch aufzuessen und den ganzen Heustock in der Scheune draussen aufzufressen.» - «Oho», lachte Gian, «wenn es weiter nichts ist, so bin ich wohl im Stand, das zu übernehmen. Wenn Ihr die Tore öffnet, so werdet Ihr sehen, dass das bald erledigt ist.» Derweil rannte jetzt Gian die Treppe hinunter, um seinen Gefährten die gute Nachricht zu bringen. Sobald die das hörten, stürmten sie augenblicklich die Treppe hoch, der Esel in die Scheune, der mit der roten Nase in den Weinkeller, der mit dem Brot in die Rumpelkammer und der Hund in die Vorratskammer. Und die guten Sachen des Königs begannen auf eine wunderliche Art und Weise zu verschwinden. Der König sprang ganz erschrocken die Treppe hinunter und schrie: «Helf mir Gott, helf mir Gott, jetzt bleibt mir ja nichts mehr; jagt mir augenblicklich diese Schelme weg, ich weiss seit langem, dass die im Stand sind, mich zu Grunde zu richten.» Gian, der lachend zugesehen hatte, trat nun zum König hin und sagte: «Ich sehe, Herr König, dass Ihr jetzt auch überzeugt seid, dass es möglich ist, alle Eure Vorräte aufzuessen, und so bitte ich Euch nun zum zweiten Mal, mir Eure Tochter zu geben.» Der König legte seine Stirn in Falten und sagte: «Ja, mein guter Freund, das ist jetzt die grosse Frage, ob meine Tochter bereit ist, mit Euch zu gehen. Denn ich bezweifle das. Gut - ich gehe nachfragen, wie es steht.»

Unterdessen sass die Prinzessin froh und zufrieden wie schon lange nicht mehr in ihrer Stube, als der König eintrat, um mit ihr zu reden. Er sagte: «Denk nur, dieser armselige Kerl mit dem Esel ist drunten und meint, er könne dich mitnehmen.» Die Prinzessin entgegnete sogleich: «Aber, lieber Vater, wenn Ihr die Weisung erlassen habt, dass er mich haben kann, so dürft Ihr Euer Wort nicht zurücknehmen. Und ich bin völlig einverstanden, mit ihm zu gehen.» - «Du machst doch nicht etwa Spass!» sagte der König, «du wirst mir doch nicht einen derartigen Verdruss machen?! Schämst du dich denn nicht, mit diesen Kerlen, die derart gefressen haben, dass sie kaum aufrecht stehen können, durch die Stadt zu ziehen?» Nun kam auch die alte Königin, und nachdem der König ihr die Sache erzählt hatte, begann sie zu weinen und klagte: «Oh, lieber möchte ich dich tot sehen als auf dem Wägelchen mit dem Esel. Wir, die wir so viel Geld ausgegeben haben, um dich gut zu schulen, und du, du willst dich mit solchen Leuten einlassen, die nicht standesgemäss sind!» Jetzt sagte die Prinzessin: «Aber der Bursche hat mir gefallen, und es ist so, dass ich den will!»

Ganz durcheinander gingen der König und die Königin zum Schreiber, der ein schlauer Mann war, um sich mit ihm zu beraten. Inzwischen ging unsere Prinzessin zu Gian, und abends spät machten sie sich auf den Weg. Gian liess sich von der Wirtin noch eine Decke für den Sitz geben, auf dem er mit der Prinzessin sass. Hinten drauf waren wieder die andern Gefährten; auf dem letzten Sitz liess Gian den mit dem Dünnscheisser Platz nehmen. Sie fuhren wieder durch einen langen, riesigen Wald und hatten ein wunderschönes Leben miteinander. Die Prinzessin fiel von einem Lachen ins andere. Mittlerweile waren der König und die Königin zum Schluss gekommen, dass der Schreiber sogleich zur Prinzessin gehen sollte, um sie zu überzeugen. Er trat in die Stube, aber die Prinzessin war nicht da. Jetzt gab es ein fürchterliches Geschrei, und alles rannte von einem Zimmer ins andere, um die Prinzessin zu suchen, sogar in den Kleiderschränken und in der grossen Korntruhe in der Speisekammer. Aber die Prinzessin war unauffindbar. «Da hast du’s nun!» sagte die Königin, «du hättest sie einsperren sollen.» - «Jetzt geht mir ein Licht auf!» schrie auf einmal der Schreiber, den Finger auf die Nase haltend. «Niemand anders als dieser nichtsnutzige Landstreicher ist mit ihr abgehauen! Und ich würde vorschlagen, ein paar Reiter hinterherzuschicken, um ihn zu suchen.» Sofort lief der König ans Fenster, und mit ein paar Pfiffen hatte er gleich alle seine Reiter zusammen. Im gestreckten Galopp stürmten sie zum Wald hin, und schon bald hatten sie sie eingeholt. Die Prinzessin war die Erste, die von weitem eine grosse Staubwolke sah: «Du meine Güte», sagte sie, «das sind bestimmt die Reiter meines Vaters.» Auch Gian sah sie nun; er sprang auf und sagte zu dem auf dem letzten Sitz: «Pass auf, du mit dem Zapfen.» Unterdessen hatte der erste Reiter schonden Arm ausgestreckt, um das Wägelchen zu packen, als Gian rief: «Jetzt tu deine Pflicht!» In dem Augenblick zog der andere seinen Zapfen heraus, und der ganze Schwall Scheisse auf die Reiter! Die Pferde bäumten sich auf und wollten nicht mehr weiter, und die Reiter dachten sich: «Scheissdreck im Maul liegt nicht drin!» und hauten nichts wie ab.

Froh und zufrieden fuhren nun die Reisenden weiter bis zur nächsten Stadt. Vor dem schönsten Wirtshaus hielt Gian seinen Esel an und verlangte beim Wirt zwei Zimmer. Aber der Wirt schien keine grosse Lust zu haben, sie ihm zu geben, bis Gian ziemlich viele Goldstücke aus der Tasche zog. Er begleitete die Prinzessin ins Zimmer hinauf und sagte, er komme sie bald wieder abholen. Unterdessen kaufte er eine schöne Kutsche mit vier Schimmeln und einen schönen Anzug aus schwarzem Tuch für sich. Für den Weintrinker und den Brotesser erstand er blaue Anzüge mit goldenen Tressen und Knöpfen sowie einer Kokarde auf der Mütze, denn jene zwei hatte er als Kutscher angestellt. Den mit dem Weinzapfen brachte er zu einem Doktor, der ihn sofort heilte, indem er hinten ein wenig Salbe auftrug; den nahm er als ersten Stallknecht. Nun ging er hinauf und klopfte an die Tür der Prinzessin. Sie rief: «Herein!» und statt ihres Gefährten von vorher sah sie einen schön gekleideten Herrn, der kein anderer war als der Prinz Gian von Las Agnas, den sie sogleich wieder erkannte. Er erzählte ihr seine ganze Geschichte mit dem Wildmännlein, und danach begleitete er sie hinunter zur schönen Kutsche. Und sie kehrten wieder nach Holland zurück, denn die Prinzessin freute sich nun darauf, den Eltern ihren schönen Prinzen zu zeigen. Der König und die Königin, die auf dem Balkon waren, sahen eine prächtige Kutsche gegen den Palast zu fahren. Zuerst sprang eine schöne Dame heraus, in welcher die Königin sofort ihre Tochter erkannte, und mit ihr der Prinz von Las Agnas. Sie erzählten nochmals alles, dann fuhren sie gemeinsam nach Las Agnas und hielten eine wunderschöne Hochzeit. Sie luden alle Leute im Engadin ein, und es gab in Las Agnas unten einen rauschenden Ball, wie man es noch nie gesehen hatte, und am Tag danach waren alle halb kaputt - und das Märchen ist aus.

(Oberengadin)

 

Quelle: Die drei Hunde, Rätoromanische Märchen aus dem Engadin, Oberhalbstein und Schams. Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler/Kuno Widmer, Desertina Verlag, Chur 2020. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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