Der junge Herzog

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Es war einmal ein junger Herzog, der war so fromm und gottesfürchtig, dass er am liebsten gleich gestorben und nach dem Himmel gewandert wäre. Seine Mutter aber hätte ihn gern an eine Prinzessin verheiratet, und weil er denn auch ein guter Sohn war, so willigte er endlich in den Wunsch seiner Mutter ein und setzte den Tag seiner Hochzeit fest.

Am Hochzeitsmorgen erschien aber ein Jüngling im Schloss, von schönem Wuchs und Ansehen, und bot ihm seine Dienste an als Koch, aber nur über das Hochzeitsfest. Der Herzog fand Gefallen an ihm und alle Leute am Hof verwunderten sich über sein feines Benehmen; und als er erst eine Probe von seiner Kochkunst abgelegt hatte, da wollte der Herzog ihn gar nicht mehr fortziehen lassen. Allein schon des Nachmittags sagte der Jüngling, seine Stunde sei gekommen, er müsse nun wieder nach Hause gehen! Also wollte ihm der Herzog noch eine Strecke weit das Geleit geben.

Wie sie nun unvermerkt unter allerlei Reden weiter und weiter gegangen waren, standen sie mit einemmal mitten auf einer grünen Heide, welche ganz mit Rosen und Rosmarin bewachsen war, und die Luft war allenthalben voll Balsamduft. Unter einem Palmbaum hielt ein weißes Maultier und graste; das löste der Jüngling alsobald ab und bat den Herzog, er möchte sich auf dasselbe setzen. Der Herzog setzte sich darauf und der Jüngling nahm selbst hinter ihm Platz. Da war es dem Herzog, als ob sie durch die Lüfte schwebten; bald sah er in der Ferne eine prächtige Stadt schimmern; und als sie an das Tor kamen, war dasselbe von oben bis unten mit Edelsteinen besetzt; und es öffnete sich von selbst; und als sie in die Stadt kamen, war es so hell und glänzend drinnen, wie wenn tausend Sonnen scheinen würden; von allen Seiten erklang Gesang und Musik und durch die Straßen, die mit purem Gold gepflastert waren, zogen weiße Jungfrauen mit Blumenkränzen um die Stirne und begrüßten den Herzog.

Das gefiel ihm so wohl, dass er gar nicht mehr fort wollte. Allein am dritten Tag sagte der Jüngling zu ihm, nun sei auch seine Stunde gekommen, er müsse nun wieder nach Hause gehen, werde aber wohl bald wieder hierher kommen dürfen. Also trug das weiße Maultier den Herzog wieder den gleichen Weg zurück, und der Jüngling begleitete ihn bis zu dem Palmbaum in der grünen Heide; als er aber von hier betrübt den Weg nach seinem Schlosse einschlug, sah er in der Ferne an der Stelle, wo das Schloss gestanden hatte, ein altes Kloster; verwundert trat er hinzu und fand die Pforte verschlossen; er klingelte, und ein Klosterbruder in langem, schwarzem Gewand trat hervor.

Der Herzog fragte ihn: »Was tut Ihr hier, lieber Bruder? Bin ich denn nicht auf dem rechten Weg nach dem Schloss? Vor drei Tagen bin ich ausgegangen und finde mein Schloss nicht mehr, auf dem ich doch Herr und Meister bin.« Der Klosterbruder machte große Augen und sagte: »Ein Schloss ist hier weit und breit nicht; in unserm Kloster aber regiert der Abt; kommt nun her, er wird's Euch selber sagen.« Der Herzog folgte dem Bruder; und als der Abt die Geschichte von dem Herzog und seinem Ausgang aus dem Schloss erfuhr, da holte er eine alte Chronik aus der Bücherei des Klosters und schlug darin ein paar vergilbte Blätter herum, und dann zeigte er dem Herzog Wort für Wort, dass seine Geschichte da drin verzeichnet stand und dass es nun gerade dreihundert Jahre her seien, dass er mit dem Jüngling aus seinem Schlosse gegangen; sein Schloss aber sei längst dem Erdboden gleich gemacht und seine Gemahlin und Mutter samt allen übrigen Bewohnern des Schlosses lange verstorben.

Das ganze Kloster wollte nun die endliche Wiederkunft des Herzogs festlich feiern und ein großes Freudenmahl wurde angerichtet, bei welchem der Herzog oben an sitzen musste. Kaum hatte er aber ein Stücklein Brot in den Mund genommen, so schrumpfte er zusammen und wurde ein uraltes, eisgraues Männlein und war im selben Augenblick tot.

 

Quelle: Otto Sutermeister, Kinder- und Hausmärchen aus der Schweiz, Aarau 1869   Zürich. (Nach I. Stutz: Sieben mal sieben Jahre aus meinem Leben S. 55.)

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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