Die Glocke von Glarus

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Es mag bald an die fünfhundert Jahre her sein, da war die grosse Glocke zu Glarus alt geworden und schepperte und klang nicht mehr so, wie die Glarner sie eben gerne gehört hätten. So beschlossen sie denn, es sollte eine neue Glocke gegossen werden. Der Ammann und alle, die um die Kirche wohnten, sinnierten, wie sie es wohl fertigbrächten, der neuen Glocke einen ganz besonders feierlichen und vollen Ton zu geben, denn sie hatten sich über die alte Glocke oft genug geärgert. Schliesslich kamen sie zu einem Beschluss, und daraufhin ging die Frau Amtsmännin eines Tages zu ihren Basen und Verwandten und guten Nachbarn, um sie zu bitten, am Tage des Glockengusses auf dem «Spielhof» zu erscheinen und so viel an Silber und Gold zum Guss zu schenken, als einer jeden möglich sei.

So kamen denn am besagten Tag, da der Glockenguss auf dem «Spielhof» vor sich gehen sollte, an die zwei Dutzend ehrbare Frauen und brachten, was sie entbehren konnten an silbernen Ketten und Kettchen, an goldenem Schmuck, an Halsreifchen und Armbändern, und manch eins war dabei, das der Ahne vor Zeiten aus fernen Ländern und Kriegszügen heimgebracht hatte, auch Taler mit Adlern und Leuen darauf. Das alles wurde in die Glockenspeise geworfen, so dass man bald nicht mehr unterscheiden konnte, was Kupfer und Zinn oder aber Gold und Silber gewesen war. Und so ward die Glocke gegossen im Jahre 1478 und ward zum ersten Mal geläutet an einem Sonntag. Jedermann verwunderte sich in Freuden über den schönen Ton, der klang wie Gold und Silber und war dunkel und hell in einem, so dass jedermann, der in den Flecken kam, sich höchlich daran erbaute.

Das sprach sich bald im Land herum, so dass mancherorts im Heimlichen gewünscht wurde, die eigenen Glocken möchten auch einen Sprung bekommen, auf dass man sich neue anschaffen könnte.

Es konnte nicht fehlen, dass die Sache auch den Zürchern, die alleweil gute Ohren haben, in die Nase stach, und so schickten sie nach kurzem Beschluss zwei gescheite Kilchherren und einen Weibel zu den Glarnern, sie möchten ihnen die Glocke verkaufen. Die Glarner aber dachten keineswegs daran, und so gingen die Zürcher Herren mit leeren Händen heimwärts. Im nächsten Jahr aber erschienen sie wieder mit einem grossen Angebot, nach welchem sie versprachen, die Glocke zu überstürben und sie sodann mit guten Zürcher Schillingen zu füllen, und das sollte der Kaufpreis sein. Doch wurden sie nach kurzem Besinnen abermals heimgeschickt und ihnen bedeutet, die Glarner hätten genug eigene Schillinge. Als sie aber zum dritten Mal kamen und die Glocke nun gar mit Silberschillingen füllen wollten, sie überdies aussen herum mit Silbertalern zu belegen versprachen, da überlegte sich der Rat den Handel, und weil er zu keinem Schluss kommen konnte, wurde eine grosse Gemeinde einberufen und dringlich darüber verhandelt. Der Ammann und die, die bei der Kirche wohnten, waren nicht einverstanden, und als gar die Frauen, die Goldenes und Silbernes geschenkt und geopfert hatten, sich dagegen zu wehren wussten, da wurden die Herren von Zürich zwar herrlich bewirtet und mit aller Höflichkeit behandelt, mussten aber zum dritten Mal ohne grosse Glocke heimwärts ziehen. Die Glocke aber läutete noch viele, viele Jahre zur Freude aller, die sie hörten.

 

Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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