Hetscho, der Faulpelz

Land: Georgien
Kategorie: Zaubermärchen

Vor langer Zeit lebte einmal ein Mann, der hiess Hetscho und war so faul, dass ihn alle nur „den Faulpelz“ nannten. Weil Hetscho nicht arbeiten wollte, verdiente er auch kein Geld und so musste er oft hungrig schlafen gehen. Er hatte aber gehört, dass oben in den Bergen der weise Gerbatu wohnte, der über das Schicksal der Menschen wachte. Er beschloss ihn zu suchen und ihn um Hilfe zu bitten, damit er satt sein konnte, ohne zu arbeiten.
Der Weg war lang und Hetscho kam durch einen Wald. Dort traf er einen Wolf, der fragte: „Hetscho, wo willst du hin?“
„Ich will zum weisen Gerbatu und ihn um einen Rat bitten.“
„Bitte, Hetscho, frage den weisen Gerbatu, weshalb ich immer dünner und nie satt werde.“
Hetscho versprach es und lief weiter, da kam er an einem Apfelbaum vorbei. Er wollte einen Apfel pflücken, als der Baum rauschte: „Hetscho, wo willst du hin?“
„Ich will zum weisen Gerbatu und ihn um einen Rat bitten.“
„Bitte, Hetscho, frage den weisen Gerbatu, weshalb meine Äpfel so bitter sind.“
Hetscho versprach es und wanderte weiter. Da kam er zu einem Bach und wollte Wasser trinken, doch im Wasser lag ein Fisch mit offenem Maul und sagte: „Hetscho, wo willst du hin?“
„Ich will zum weisen Gerbatu und ihn um einen Rat bitten.“
„Bitte, Hetscho, frage den weisen Gerbatu, weshalb ich mein Maul nicht schliessen kann.“
Hetscho versprach es und ging weiter. Es war schon fast Abend, als er endlich zur Hütten des weisen Alten kam.
Gerbatu öffnete die Tür und sprach verwundert: «Hetscho, du hast den weiten Weg zu mir auf dich genommen, was ist dein Wunsch?“
«Lieber Gerbatu, ich bitte dich, hilf mir, damit ich satt werde, ohne, dass ich arbeiten muss.“
Der weise Gerbatu schaute Hetscho lange an, dann sprach er: „Du weisst, dass nur wer arbeitet, nicht hungern muss. Aber ich will dich trotzdem beschenken. Geh nach Hause, grosser Reichtum wartet auf dich.“
Hetscho bedankte sich und wollte schon eilig davongehen, als Gerbatu fragte: „Hast du unterwegs niemanden getroffen?“
„Oh, doch, ich habe einen Fisch gesehen, der sein Maul nicht schliessen kann. Und einen Baum, dessen Äpfel bitter sind, und einen Wolf, der nie satt wird.“
„Hör gut zu“, sagte Gerbatu, „der Fisch kann sein Maul nicht schliessen, weil ein Edelstein unter seiner Zunge liegt. Nimmt man dem Fisch den Edelstein aus dem Maul, so kann er es wieder schliessen. Unter dem Apfelbaum liegt ein Schatz vergraben, der die Äpfel bitter werden lässt. Gräbt man den Schatz aus, so werden die Äpfel wieder süss. Dem Wolf aber kannst du sagen, dass er satt wird, wenn er den allerdümmsten Menschen, der ihm begegnet, frisst. Und nun geh!“
Hetscho machte sich eilig auf den Heimweg, als er am Bach vorbeiging, rief der Fisch: „Hetscho, was hat der weise Gerbatu gesagt?“
Hetscho rief: „Er sagte, dass man den Edelstein unter deiner Zunge herausnehmen muss, dann kannst du dein Maul wieder schliessen.“
„Oh bitte, lieber Hetscho, nimm den Edelstein heraus, du kannst ihn auch behalten!“
Aber Hetscho lief eilig weiter und sagte: „Ich brauche keine Edelsteine, Gerbatu hat mir grossen Reichtum versprochen.“
Bald kam er zum Apfelbaum und dieser rief: „Hetscho, was hat der weise Gerbatu gesagt?“
„Unter deinen Wurzeln liegt ein Schatz, wenn man ihn ausgräbt, werden deine Äpfel süss“, antwortete Hetscho.
„Oh bitte, lieber Hetscho, grabe den Schatz aus, du darfst ihn auch behalten.“
Doch Hetscho rief: „Was soll ich mir die Hände schmutzig machen? Gerbatu hat mir grossen Reichtum versprochen“, dann lief er eilig weiter.
Im Wald wartete der Wolf auf ihn und fragte: „Was hat der weise Gerbatu gesagt?“
Hetscho, müde von der langen Wanderung, setzte sich auf den Boden und begann zu erzählen. Er erzählte vom Fisch und dem Edelstein, vom Apfelbaum und dem Schatz, und schliesslich sagte er: „Du wirst satt sein, wenn du den dümmsten Menschen frisst, der dir begegnet.“
Der Wolf hatte gut zugehört, dann fragte er: „Und du hast den Edelstein nicht mit dir genommen und den Schatz unter dem Apfelbaum auch nicht?“
„Nein“, sagte Hetscho, „wozu auch? Gerbatu hat mir grossen Reichtum versprochen!“
Da seufzte der Wolf und sprach: „Mir scheint, dass ich den allerdümmsten Menschen genau vor mir habe.“ Er sperrte sein grosses Maul auf und verschlang Hetscho mit einem Haps.

Fassung Djamila Jaenike, nach: Die Wunderblume. Hundert Märchen aus der Sowjetunion, Berlin 1961

Das kaukasische Land Georgien liegt in Vorderasien, wird zum grössten Teil Europa zugerechnet und ist seit dem Zerfall der Sowjetunion wieder unabhängig. Aufgrund von Bürgerkriegen und Eingriffen Russlands in den Regionen Abchasien und Südossetien, sind mehr als 250'000 Menschen aus Georgien geflohen. Die meisten Asylanträge werden negativ bewertet.

 

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