Das Zungenfleisch

Land: Kongo
Region: Bantu
Kategorie: Novelle

Es lebte einmal ein mächtiger Sultan. Eines Tages heiratete er eine sehr schöne Frau. Er führte sie in seinen prächtigen Palast und legte ihr seinen ganzen Reichtum zu Füssen. Er hatte eine schöne Frau und bot ihr allen seinen Reichtum. Doch schon nach kurzer Zeit wurde seine Frau immer blasser und dünner, bis sie bald krank im Bett lag. Der Sultan liess ihr mehr Essen bringen, Schmuck, Kleider, aber es nützte nichts, die Frau wurde immer schwächer.
Nicht weit vom Palast stand eine einfache Hütte. Dort wohnte ein armer Mann mit seiner Frau. Die Frau war nicht nur schön, sondern auch fröhlich. Sie sang den ganzen Tag und lachte.
Als der Sultan davon hörte, liess er den armen Mann zu sich kommen.
Er fragte: «Was gibst du deiner Frau, dass sie immer so fröhlich ist?»
Der arme Mann dachte nach, dann sprach er: «Ich gebe ihr Zungenfleisch.»
Der Sultan schickte den Mann nach Hause und rief sogleich den Koch zu sich und befahl: «Koche Zungenfleisch für meine Frau!»
Der Koch machte sich an die Arbeit und noch am selben Abend wurde der Frau des Sultans Zungenfleisch serviert. Doch diese mochte es kaum essen und legte sich gleich wieder hin.
Da befahl der Sultan anderes Zungenfleisch zuzubereiten. Jeden Tag wurde anderes Zungenfleisch gekocht, doch die Frau mochte nicht essen und wurde immer dünner und bald sterbenskrank.
In seiner Verzweiflung liess der Sultan den armen Mann zu sich kommen. Er sagte: «Meine Frau stirbt vor meinen Augen. Nimm sie mit dir und gib ihr Zungenfleisch, damit sie wieder gesund wird. Währenddessen soll deine Frau im Palast wohnen.
So wurde die Sultanin in das Haus des Armen gebracht. Die arme Frau aber wohnte von nun an im Palast des Sultans.
Der arme Mann ging jeden Tag auf das Feld, um zu arbeiten, und wenn er abends nach Hause kam, erzählte er der kranken Frau, was er alles erlebt hatte. Sie lauschte seiner Stimme, freute sich bald jeden Tag auf seine Rückkehr und es dauerte nicht lange, da kehrte auch ihr Appetit wieder zurück. Schon nach kurzer Zeit hörte man Lachen aus dem Haus des Armen und die Frau wurde gesund und glücklich, wie sie war, kehrte auch ihre Schönheit zurück.
Aber die Frau des Armen wurde im Palast des Sultans jeden Tag schweigsamer. Es gab zwar genug zu essen und grossen Reichtum, doch sie hatte niemanden, mit dem sie sich freuen konnte, keinen, dem sie ihre Sorgen und Freuden erzählen konnte. Nicht lange und sie war genauso mager und krank, wie die Sultanin zuvor.
Als der Sultan seine Frau wieder in den Palast holen wollte, erkannte er sie kaum wieder. «Sag mir», fragte er sie, «was dieser arme Mann dir bieten kann, was ich als Sultan, dir nicht geben kann?»
Die Frau lächelte und sprach: «Er gab mir Zungenfleisch, indem er mit mir Freude und Leid teilte, mir von seinem Tag erzählte und auch mir zuhörte.»
Da verstand der Sultan und versprach seiner Frau, ihr von diesem Tag ebenfalls Zungenfleisch zu schenken und es heisst, dass er sein Versprechen gehalten hat.
Und die arme Frau? Sie kehrte beladen mit Geschenken des Sultans in das Haus ihres Mannes zurück, sodass sie von diesem Tag an nicht nur glücklich waren, sondern auch keine Not mehr leiden mussten.

Fassung Djamila Jaenike, nach: J. Knappert, Mythos and Legende of the Swahili, 1970

The tongue meat

Once upon a time there lived a powerful sultan. One day he married a very beautiful woman. He took her to his magnificent palace and laid all his wealth at her feet. He had a beautiful wife and offered her all his wealth. After a short time, however, his wife grew paler and thinner until she was soon lying in bed sick. The sultan had more food brought to her, jewellery, clothes, but it was no use, the woman became weaker and weaker.

Not far from the palace was a simple hut. A poor man lived there with his wife. The woman was not only beautiful, but also cheerful. She sang and laughed all day long.

When the sultan heard about this, he sent for the poor man.

He asked: "What do you give your wife so that she is always so cheerful?"

The poor man thought about it, then said, "I give her tongue meat."

The sultan sent the man home and immediately called the cook to him and ordered: "Cook tongue meat for my wife!"

The cook set to work and that very evening tongue meat was served to the sultan's wife. But she hardly wanted to eat it and went straight back to bed.

The sultan then ordered other tongue meat to be prepared. Different tongue meat was cooked every day, but the woman did not want to eat it and became thinner and thinner and soon became deathly ill.

In despair, the sultan sent for the poor man. He said: "My wife is dying before my eyes. Take her with you and give her tongue meat to make her well again. In the meantime, let your wife live in the palace.

So the sultana was taken to the poor man's house. From then on, the poor woman lived in the sultan's palace.

The poor man went out to work in the fields every day and when he came home in the evening, he told the sick woman everything he had experienced. She listened to his voice, soon looked forward to his return every day and it wasn't long before her appetite returned. After a short time, laughter could be heard from the poor man's house and the woman became healthy and happy as she was, her beauty also returned.

But the poor man's wife became more and more silent every day in the sultan's palace. There was enough to eat and great wealth, but she had no one to share her joys and sorrows with. Before long, she was just as thin and ill as the sultana had been before.

When the Sultan wanted to bring his wife back to the palace, he hardly recognised her. "Tell me," he asked her, "what this poor man can offer you that I, as sultan, cannot give you?"

The woman smiled and said: "He gave me tongue meat by sharing his joys and sorrows with me, telling me about his day and listening to me too."

Then the sultan understood and promised his wife that he would also give her tongue meat from that day and it is said that he kept his promise.

And the poor woman? She returned to her husband's house loaded with gifts from the sultan, so that from that day onwards they were not only happy but also no longer in need.

Fassung Djamila Jaenike, nach: J. Knappert, Mythos and Legende of the Swahili, 1970, englische Fassung Lysander Jaenike ©Mutabor Märchenstiftung

Die Demokratische Republik Kongo gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Über hundert bewaffnete Gruppen mit ihren blutigen Kämpfen sorgen für Fluchtbewegungen von mehr als fünf Millionen Menschen und damit für Hunger, Not, Krankheiten und Traumata.

 

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