Ein Mann und eine Frau waren frisch verheiratet. Der Alltag kehrte ein und der Mann ging jeden Tag in die Stadt zur Arbeit, während sich die Frau um das Haus kümmerte.
Doch abends kam der Mann oft schlecht gelaunt nach Hause zurück. Er war wütend und missmutig und jedes Wort verärgerte ihn. Bald hielt die Frau die schlechte Stimmung im Haus nicht mehr aus und fragte ihn: «Wie kommt es, dass du so oft schlecht gelaunt nach Hause kommst?»
«Ach, weisst du, bei der Arbeit gibt es so viele Dinge, die mich ärgenn und wütend machen, und dann komme ich eben mit schlechter Laune nach Hause.»
«Nun», meinte die Frau, «ich bin auch manchmal wütend und schlecht gelaunt. Wer weiss, was passiert, wenn wir beide am gleichen Tag missmutig sind. Du solltest mir ein Zeichen geben, damit ich weiss, wann du schlecht gelaunt bist, damit ich mich darauf einstellen kann.»
«Das ist eine gute Idee», sagte er. «Aber welches Zeichen soll ich dir geben?»
Früher trugen die Männer einen roten Fez mit einer langen schwarzen Quaste, die an der Seite herabhing. Also sagte er: «Jetzt weiss ich es: An den Tagen, an denen ich schlecht gelaunt bin, werde ich die Quaste von meinem Fez nach vorne hängen. Dann weisst du Bescheid und musst dir meine bösen Worte nicht zu sehr zu Herzen nehmen.»
«Das ist gut», meinte die Frau, «Und ich werde dir ebenfalls ein Zeichen geben. Wenn ich eine weisse Schürze trage, so weisst du, dass ich an jenem Tag schlecht gelaunt bin.»
Von diesem Tag an, schaute die Frau jeden Abend aus dem Fenster auf die Strasse. Wenn ihr Mann sich dem Haus näherte, konnte sie sehen, ob die Quaste seines Fez an der Seite herunterhing, oder vorne hin und her schwang, wie der Schwanz eines wütenden Elefanten. Hing sie nach vorne, so holte sie schnell ihre weisse Schürze und band sie sich um.
Kaum hatte der Mann das Haus betreten, sah er die weisse Schürze und wusste, dass sie schlecht gelaunt war. Da riss er sich zusammen und bemühte sich, seine eigene schlechte Laune abzulegen und den Abend friedlich zu verbringen.
Das ging einige Tage so, aber schliesslich fiel auch dem Mann auf, dass die Frau ihre weisse Schürze immer dann trug, wenn die Quaste von seinem Fez nach vorne hing.
«Liebe Frau, wie kommt es, dass du immer an den gleichen Tagen schlecht gelaunt bist wie ich?»
«Lieber Mann, Allah hat den Menschen Weisheit gegeben, aber die Wut vertreibt sie.
Wie wäre es, wenn du deine schlechte Laune hinter dir lässt, bevor du nach Hause kommst, so werde ich meine ebenfalls ablegen und wir können jeden Abend friedlich zusammen sein.»
Der Mann erkannte die Weisheit in den Worten seiner Frau und sagte: «Du hast recht, so wollen wir es machen.» Von diesem Tag an trug er seine schlechte Laune nicht mehr nach Hause und die Frau brauchte die weisse Schürze nicht mehr anzuziehen. So lebten sie glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.
Fassung Djamila Jaenike, nach: “The Sign of the Tassel”, in S. P. Jamali, Folktales from the City of the golden Domes, Beirut 1965, © Mutabor Märchenstiftung.ch
The sign of the tassel
A man and a woman were newly married. The husband went to work in the city every day while the wife took care of the house.
But in the evening, the man often came home in a bad mood. He was angry and annoyed, and every word annoyed him. Soon the wife could no longer stand the bad mood in the house and asked him: "How is it that you often come home in a bad mood?"
"Oh, you know, there are so many things at work that annoy me and make me angry, and then I just come home in a bad mood."
"Well," said the woman, "I'm angry and in a bad mood sometimes too. Who knows what will happen if we're both in a bad mood on the same day. You should give me a sign so that I know when you're in a bad mood so that I can prepare myself."
"That's a good idea," he said. "But what sign should I give you?"
The men used to wear a red fez with a long black tassel hanging down the side. So he said: "Now I know: on the days when I'm in a bad mood, I'll hang the tassel from my fez to the front. Then you'll know and won't have to take my bad words too much to heart."
"That's good," said the woman, "And I'll give you a sign too. If I'm wearing a white apron, you'll know that I'm in a bad mood that day."
From that day on, the woman looked out of the window onto the street every evening. When her husband approached the house, she could see whether the tassel of his fez was hanging down at the side or swinging back and forth at the front like the tail of an angry elephant. If it was hanging forward, she quickly fetched her white apron and tied it around her.
As soon as the man entered the house, he saw the white apron and knew that she was in a bad mood. He pulled himself together and tried to put his own bad mood aside and spend the evening peacefully.
This went on for a few days, but eventually the man noticed that the woman always wore her white apron when the tassel of his fez was hanging forward.
"Dear wife, how is it that you are always in a bad mood on the same days as me?"
"Dear husband, Allah has given people wisdom, but anger drives it away.
How about you get rid of your bad mood before you come home, so I will get rid of mine too and we can be together peacefully every evening."
The man recognized the wisdom in his wife's words and said, "You're right, let's do it that way." From that day on, he no longer carried his bad mood home with him and his wife no longer needed to put on her white apron. So they lived happily ever after.
Fassung Djamila Jaenike, nach: S. P. Jamali, Folktales from the City of the golden Domes, Beirut 1965, englische Fassung L. Jaenike © Mutabor Märchenstiftung