Es lebte einmal ein Yoruba-Junge, der war mit einem Stückchen magischer Yamswurzel in der Hand zur Welt gekommen. Das Wurzelstück war so klein, dass es genau in seine winzige Handfläche passte. Der Junge wurde grösser und stärker, aber die magische Wurzel trug er immer bei sich. Einmal schickte seine Mutter ihn in den Busch, um Holz zu holen. Fleissig sammelte er dürre Äste. Es waren so viele, dass er sie zusammenbinden wollte. Dafür musste er aber die magische Wurzel aus der Hand legen. Vorsichtig legte er das winzige Stück Yams auf einen Baumstamm dicht neben sich. Dann hob er das fertige Bündel Holz auf den Kopf und machte sich auf den Heimweg. Das Yamsstück aber hatte er im Eifer vergessen.
Währenddessen hatten sich die Tiere im Busch versteckt und gesehen, wie der Junge Holz sammelte. Kaum war er fort, kamen sie hervor und schnupperten an der Yamswurzel, die er liegen gelassen hatte. «Das muss ein starker Zauber sein, in dieser Wurzel», sagte der Leopard. «Der hat Glück, dem es gehört.» Das meinten die anderen Tiere auch und bald stritten sie sich darum, wem das Stück Yamswurzel gehören sollte.
Unterdessen fiel dem Jungen ein, dass seine magische Yamswurzel fehlte. Er legte das Holzbündel am Wegrand ab und rannte, so schnell er konnte zurück zum Baumstamm, wo er es hingelegt hatte. Er war ganz überrascht, als er sah, dass dort so viele Tiere waren. Auch wilde und gefährliche Tiere! Er wusste nicht, was er tun sollte. Zum Wegrennen war es zu spät. In seiner Not beschloss er ein Lied zu singen:
«Mein kleiner Yams, mein kleiner Yams
Habe ich im Busch vergessen
Mein kleiner Yams, mein kleiner Yams
Ich komme dich jetzt holen
Sonst gibt es heute nichts zu essen.»
Der Junge sang immer wieder sein Lied und er sang so schön, dass die Tiere ganz bezaubert waren. «Sing noch einmal, sing noch einmal!», riefen sie und bald begannen sie mitzusingen. Andere trommelten und tanzten dazu um den Baumstamm herum. Darauf hatte der Junge gewartet. Mit jedem Schritt kam er dem Yamsstück ein wenig näher und als niemand hinsah, griff er nach der Wurzel und steckte sie schnell in seine Kleider. Dann schlich er leise davon.
Eine ganze Weile tanzten und sangen die Tiere noch, da fragte auf einmal der Leopard: «Wo ist der Junge und wo ist die Yamswurzel?» Auf einen Schlag wurde es still. «Wer hat den magischen Yams genommen und wo ist der Junge?», knurrt er böse.
«Der Junge hat das Yamsstück mitgenommen!», rief der Elefant.
«Wir müssen ihn einholen und ihm die Wurzel wegnehmen!“, rief der Leopard. «Wer will gehen?», fragte er, aber die Tiere schüttelten alle den Kopf. «Also gut», meinte der Leopard, «dann werde ich selber gehen. Aber dann gehört die magische Wurzel mir.» Noch bevor jemand etwas sagen konnte, rannte der Leopard los.
Der Junge war inzwischen auf dem schnellsten Weg nach Hause gerannt. Sogar sein Holzbündel hatte er am Weg liegen gelassen. Seine Mutter sass vor der Hütte. Sie hatte einen Topf mit dunkler Farbe auf dem Feuer, damit wollte sie Kleider färben. Keuchend kam der Junge bei ihr an und erzählte ihr die Geschichte von den tanzenden Tieren. «Bald werden die Tiere kommen und das wird gefährlich. Geh schnell ins Haus und verstecke dich», sagte sie. Dann rief sie die anderen Frauen aus dem Dorf zusammen. Sie nahmen Stöcke in die Hand, tauchten sie in die dunkle Farbe und warteten.
Es dauerte nicht lange, da stürzte der Leopard mit lautem Gebrüll in den Hof. Da nahmen die Frauen ihre Stöcke und hieben so lange auf ihn ein, bis er davonsprang. Von den Farbstöcken aber war sein Fell voller dunkler Flecken und die hat er bis heute. Als die Tiere hörten, was dem Leoparden geschehen war, trauten sie sich nicht mehr in die Nähe vom Dorf.
Bis heute erzählen sich die Menschen die Geschichte von dem Jungen mit der magischen Yamswurzel. Und wenn du einmal einen Leoparden siehst, dann weisst du, weshalb er so viele Flecken auf seinem Fell hat.
Aus: Pflanzenmärchen aus aller Welt ©Mutabor Verlag
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.