Ein Junge, der bei seiner Mutter lebte, verspürte eines Tages Hunger. Er sagte zu seiner Mutter: «Backe mir Maniokbrote, denn morgen will ich in die Stadt gehen.»
Seine Mutter fragte ihn: «Was willst du dort?»
Der Junge antwortete: «Ich will meine Waren verkaufen», und er fing eine riesige alte Küchenschabe, steckte sie in einen Sack, dazu Maniokbrote und ging fort.
Unterwegs schlief er in einem Dorf, am nächsten Morgen ging er weiter. Er kam in ein anderes Dorf. Dort bekam er Durst und bat um Wasser. Man gab ihm Wasser. Dann fragte ihn die Frau, die ihm Wasser gegeben hatte: «Wohin gehst du?»
Der Junge antwortete: «Ich gehe meine Küchenschabe in der Stadt verkaufen.»
Die Frau wunderte sich und fragte: «Wie kann man eine Küchenschabe verkaufen?»
Der Junge antwortete: «Man verkauft sie, und kauft sie.»
Während er Wasser trank, kam ein Hahn und frass seine Küchenschabe. Als der Junge das sah, weinte er und schluchzte: «O weh! O weh! Meine Mutter hat mir die Küchenschabe gegeben, für sie sollte ich sie verkaufen; sie braucht das Geld, und nun hat dieser eklige Hahn meine Küchenschabe gefressen!»
Daraufhin fingen ihm die Leute eine andere Küchenschabe, aber die wollte er nicht: «Ich will meine Küchenschabe wieder, die, die meine Mutter mir zum Verkaufen gegeben hat!»
«Aber», antworteten die Dorfleute,«wo sie doch nun in dem Hahn ist!»
«Dann müsst ihr mir eben den Hahn geben!»
Nach langem Hin und Her wurden die Dorfleute es leid und schenkten dem Jungen den Hahn. Er nahm ihn mit ins nächste Dorf. Dort stürzte sich ein grosser Hund auf ihn und verschlang den Hahn mit einem Haps.
«O weh! O weh!», heulte der Junge, «rneine Mutter hat mir den Hahn zum Verkaufen gegeben, was soll ich jetzt machen?»
Die Dorfleute hatten Mitleid mit ihm und brachten ihm einen anderen Hahn. Er lehnte ab: «Ich will nur den, den ich von meiner Mutter habe.»
«Aber der ist doch im Bauch dieses Hundes!»
«Dann will ich den Hund mitnehmen!»
«Na gut, dann nimm ihn eben mit; er soll dir gehören.»
Und er nahm den Hund mit.
Sie gingen ein ganzes Stück bis zum nächsten Ort. Dort trafen sie auf eine Ziege, die gerade Junge bekommen hatte, die sie schützen wollte. Sie stürzte sich auf den Hund und stiess ihm ihre Hörner so fest in den Schädel, dass der arme Hund tot zusammenbrach.
Und der Junge fing an zu jammern: «Was für ein Unglück! Der arme Hund! Meine Mutter hat ihn mir anvertraut! Wie soll ich ihr erklären, dass er jetzt tot ist! Gebt mir meinen Hund wieder!»
Die Dorfleute konnten ihm keinen Hund als Ersatz geben, dafür bezahlten sie ihm eine Entschädigung und schenkten ihm obendrein die Ziege mit ihren Jungen. Er ging Ziege und Zicklein verkaufen, und von all dem Geld, das er nun besass, kaufte er Haushaltsgeräte und Stoffe, eine Nähmaschine und ein Fahrrad.
Das alles brachte er seiner Mutter. Diese war völlig verdutzt und bewunderte so viel plötzlichen Reichtum. Sie fragte ihn, wie er das gemacht hätte, wo er doch nur eine Küchenschabe von zu Hause mitgenommen hatte, dass er nun mit so vielen Kostbarkeiten nach Hause gekommen war.
«Siehst du», erklärte der Junge, «die Küchenschabe hat Junge bekommen. Du hättest dich nicht über die angeblich unverkäufliche Ware lustig machen sollen!»
Er gründete eine schöne Familie, wurde eine Respektsperson in seinem Dorf und vollendete dort sein Leben in unbestrittenem Wohlstand und Ansehen, von seiner Mutter geliebt, von allen geehrt. Das ist das Ende der Geschichte.
Aus: Kindermärchen aus aller Welt © Mutabor Verlag