Die böse Schwester

Land: Schweiz
Region: Freiberge
Kategorie: Zaubermärchen

Es lebten einmal zwei Schwestern. Beide liebten den gleichen jungen Mann, aber diesem gefiel nur die Jüngere der beiden und er umwarb sie, während er die Ältere keines Blickes würdigte.

Nachts tauchte er oft beim Stübchen der Jüngeren auf, klopfte an das Fenster und die beiden Verliebten beteuerten sich gegenseitig ihre Liebe.

Die ältere der beiden Schwestern tat so, als wüsste sie nichts davon, aber die Zurückweisung und die Freude des Liebespaares nagten so sehr an ihr, dass sie keine Ruhe mehr fand.

An einem Sonntagabend tat sie so, als würde sie früh ins Bett gehen. Stattdessen aber schlich sie sich heimlich in den Schuppen neben dem Haus und wartete. Es dauerte nicht lange, da kam der junge Mann am Schuppen vorbei und wollte zum Fenster seiner Liebsten. Da trat die Frau aus ihrem Versteck hervor und erschlug ihn mit einer Spitzhacke. Dann vergrub sie ihn unter dem Pflaumenbaum.

Im Haus wartete die jüngere Schwester vergeblich auf ihren Liebsten. Er kam nicht und blieb verschwunden, niemand wusste, wo er geblieben war.

Als der Frühling kam, setzte sich die junge Frau unter den Pflaumenbaum und dachte voller Sehnsucht an den jungen Mann. In der Hand hielt sie einen frischen Weidenzweig und schnitzte sich daraus eine Flöte.

Doch als sie die Flöte an den Mund setzte und hineinblies, begann diese zu singen:

Pfeife, meine Liebste,
pfeife das Lied vom Leid,
dass die Ältere mich tötete,
aus lauter Gier und Neid.»

Verwundert nahm die junge Frau die Flöte von den Lippen. Sie fragte alle im Haus: «Hörst du das Lied?» und alle konnten es hören, immer dasselbe Lied. Die Leute kamen zusammen, auch die Nachbarn hörten zu und konnten nicht glauben, was die Flöte sang.

Da gaben sie der ältesten Schwester die Flöte. Sie setzte sie zitternd an die Lippen und als sie endlich hineinblies, sang die Flöte:

Pfeife, grosse Schwester,
pfeife das Lied vom Leid,
du bist es, die mich tötete,
aus lauter Gier und Neid.»

Die Schwester liess die Flöte fallen und lief hinter das Haus. Man suchte sie, aber als man sie fand, war es schon zu spät. Sie hatte ihrem Leben unter dem Pflaumenbaum ein Ende gesetzt.

 

Aus: G. Lovis, J. Surdez, Vieux Contes du Jura, Porrentruy 1991, unter dem Titel «La méchante sœur». Aus dem Französischen übersetzt und neu erzählt unter Mitwirkung von Maggie Rüeger.

© Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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