Die Wetterhexe

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Oft erzählte Pater Klemenz ein alter Kapuziner, der nah und ferne fast für heilig gehalten wurde, weil kein anderer so gut Geister bannen, keiner so gut Teufel austreiben konnte, viele wunderbare Geister- und Hexengeschichten, die ihm selbst begegnet waren, und dies tat er vorzüglich, wenn er etwa Ungläubige von dem Dasein böser Geister überzeugen wollte. Unter allem dem aber, was der ehrwürdige, fromme Kapuziner erzählte, ist wohl folgendes Abendteuer, das weit unter dem gemeinen Volke verbreitet ist, und das mir Leute, die den alten Gottesmann noch kannten, erzählten, das wunderbarste:

An einem heissen Sommertage ergriff er den Wanderstab und schritt, so rasch es ihm sein Alter und die drückende Hitze erlaubten, über die Berge des Jura gegen den Horngraben hin, weil in dessen Nähe ein Senn seine wohlbekannte Frömmigkeit und Heilkunde für sein behextes Vieh in Anspruch nahm. Aber immer langsamer wurden seine Schritte, grosse Schweisstropfen fielen ihm in den grauen Bart und keuchend vermochte er kaum noch einen kleinen Berg zu ersteigen, von dessen Spitze eine Sennhütte den müden, durstigen Pater zur Einkehr einzuladen schien. Doch die Hütte scheint nicht bewohnt zu sein; man hört nirgends das freundliche Geläute der Kühe, kein froher Senn tritt dem Gottesmann entgegen und bietet ihm, dessen Ruf ja weit über diese Berge gedrungen ist, alles an, was die ärmliche Hütte vermag und nur ein schwarzer, russiger Hund, der sich durch keine liebkosenden Worte besänftigen lässt, fällt ihn mit grimmigem Knurren und Bellen an. Endlich öffnet sich die Türe, ein etwa zehnjähriges Mädchen streckt den Kopf heraus und nachdem es dem Hund Stillschweigen geboten, fragt es schüchtern den ehrwürdigen Herrn um sein Begehr, kann aber von dem Pater kaum dazu gebracht werden, ihn in die Hütte zu lassen und ihm ein wenig Milch zu wärmen, denn die Mutter, sagt es, sei nicht zu Hause, und werde es derb ausschmälen, wenn es etwas wegschenke. Erst als er die Milch zu zahlen versprochen, winkt es ihm in die Stube zu treten, in der der Erstaunte keinen Weihwasserkessel, kein Kruzifix, kein Heiligenbild, ja kein Zeichen einer christlichen Haushaltung findet; als er sie, während das Mädchen geschäftig das Feuer anzündet, betrachtet, da wird er in seiner Verwunderung von einem Ruf der Kleinen unterbrochen, die ihn bittet, eine Pfanne, die sie nicht erlangen kann, vom Kaminschoss herab zu nehmen; aber er hat sie nicht verstanden, er greift nach einer andern und will sie eben herablangen, als das Mädchen ängstlich ruft: Nein, nicht diese, Herr Pater, die andre gebt mir, denn in der macht die Mutter das Wetter!

Jetzt wird’s dem Gottesmann plötzlich klar, in welches Haus er gekommen und nachdem er sich gefasst und von der Kleinen, die er durch ein paar Leckerli ganz zutraulich gemacht, erfahren, wie der Vater vor zwei Jahren gestorben, und wie seither die Mutter nachts zum Kamin hinaus auf Besuch reite und selbst Besuch von einem fremden Herrn erhalte, der es ihnen an nichts fehlen lasse, ergreift der Mann voll hl. Eifers, trotz den Bitten und Tränen des Mädchens, die Wetterpfanne, und stellt sie aufs Feuer. Da erhebt sich in der Luft ein schreckliches Sausen und Brausen und bald ist der Himmel mit schwarzen Wolken bedeckt, und sobald er die Milch in die Pfanne geschüttet hat, stürzt unter Donner und Blitz ein heftiger Platzregen, mit Schlossen gemischt, vom Himmel und nun ergreift der ehrwürdige Gottesmann eine nahliegende Haselrute und fängt damit so lange und so heftig auf die Milch zu peitschen an, bis die Hexe durchs Kamin herabfährt und ihn heulend bittet, doch mit Schlagen aufzuhören. Aber erst als sie ihm versprochen, sich künftig des Umgangs mit dem Teufel und aller höllischen Künste zu enthalten, legt er die Rute weg, und verlässt bald, ohne eine Erquickung genossen zu haben, doch gestärkt durch seine Tat die Hütte, denn er weiss wohl, wie wenig auch reuigen Hexen zu trauen ist.

R. M. Kully, H. Rindlisbacher, Die älteste Solothurner Sagensammlung, in: Jurablätter. Monatsschrift für Heimat- und Volkskunde, 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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