Der Lehzins

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Wenn man von Giswil nach den Alpen Mörli und Enzimatt den alten Fussweg benützt, so kommt man nach den obersten Heimwesen in prächtiger Lage, Iwi geheissen. Ein wunderhübsches Bergidyll umgibt uns. Mitten in üppiger Wiesenpracht stehen die sonngebräunten Berghäuschen neben den mächtigen Scheunen. Links oben tront der sagenumwobene Giswilerstock, Wache haltend und trotzig und düster dreinschauend, als kümmere ihn das Treiben der kleinen und grossen Menschlein, die zu seinen Füssen krabbeln, gar sehr. Auf der Kuppe dieses Berggeländes steht eine grosse Scheune und ein altes, unscheinbares Häuschen daneben. Wir sind im obersten Iwi, auch Knibis Iwi geheissen.

Ehemals lebte im Kleinteil in Giswil auf dem Zuber, wo früher die Giswiler Stock und Galgen hatten, ein sehr reicher Mann, der dreissig Kühe und viele Liegenschaften hatte. Unter diesen besass er auch das oberste Iwi. Im Frühjahr, als er mit seinem Sennten da oben im Vorsäss war, kam unverhofft vom nahen Stock her ein Männchen mit schneeweissem, langem Bart und bat den Bauer gar eindringlich, ihm eine Kuh auf den Sommer zu lehnen zu geben. Der Bauer, der das Männchen nicht kannte, auch nie zuvor gesehen hatte, wollte der Geschichte nicht recht trauen. Als aber das Männchen mit bitten nicht abliess, fiel dem Bauern ein, er habe ja noch ein Blag, das den ganzen Frühling herumserbelte und vielleicht bis zum Herbst ohnehin verderbe. Um dieses Haupt sei es, meinte der Bauer, nicht schade, aber er wolle ihm noch das Schälli abziehen, denn er schätzte dieses schier höher als die Kuh. Als aber das Männchen bittlich anhielt, er solle das Schälli ihm und der Kuh zuliebe belassen, willigte der Bauer schliesslich ein. Auf Sant Michelstag sollte Zins und Kuh zurückgebracht werden. Der Bauer aber rechnete nicht sehr darauf. Der Handel war gemacht. Das Männchen zog mit der Kuh fort und gar hell erklang das Schälli, immer ferner, bis unser Bauer seine Kuh in den Gemsplätzen am Stock lustig weiden sah. Unser Bauer gab die Hoffnung, je wieder in den Besitz der Kuh zu kommen nun völlig auf; Grattiere hat er wohl schon dort weiden sehen, aber Kühe, die sich dorthin verstiegen, sind elendiglich zu Grunde gegangen.

Der Sommer verlief ganz ordentlich; unseres Bauern Vieh wurde wie von einer unsichtbaren Macht beschützt, während das anderer Älpler von allerhand Seuchen heimgesucht wurde.

Es wurde Herbst; unser Bauer war nun wieder von der Alp ins Vorsäss Iwi gefahren und die Kühe liessen es sich wohl sein in dem saftigen Grase. Da erschien am Michelstag das Männchen mit dem schneeweissen Barte und brachte die Kuh, welche glänzte wie Seide. Unser Bauer wollte zuerst gar nicht glauben, dass das seine Kuh sei, denn es war die schönste im Sennten. Da fragte das Männchen unsern Bauer, wie viel Lehzins er nun wolle. Dieser verzichtete nicht nur hierauf, sondern versprach dem Männchen auch nächstes Jahr wieder eine Kuh z'Leh zu geben. Das Männchen aber wies das Angebot zurück mit dem Bemerken, es habe nun für sein ganzes Leben genug Käse und Milch und es gab dem Bauern ein Bratkäsli und sagte, wenn er dieses nie ganz aufesse, so habe er immer Käse. Ja, lachte der Bauer, das glaube er auch! „Thio und liog" sagte das Männchen und eilte von dannen, dem Stock zu. Am Abend ging der Bauer heim, um der Frau den Kram zu zeigen und als sie davon assen, dünkte er sie gar fürnehm. Sie versorgten hierauf das Käslein, um davon den Bekannten und Nachbarn zu kosten zu geben. Jedesmal wenn man das Käslein wieder hervornahm war es ganz wie zuvor. So dauerte es zwei Jahre.

Als nun unser Bauer einmal Schneider und Schuhmacher auf der Stör hatte und ihnen das Käslein zum z' Vieri vorsetzte, schmeckte dieses denselben so gut, dass sie es, ohne dass der Bauer es achtete, aufassen. Jetzt konnte das Käslein nicht mehr wachsen, wie sehr auch unser Bauer schimpfte. Die Stelle, wo die Kuh weidete im hohen Stock oben, heisst zur Stunde noch Kuhplätz.

Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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