Die Nonne in Fraubrunnen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Im landvögtlichen Schlosse, dem ehemaligen Kloster Fraubrunnen, trieben Geister ihr Wesen. Hänggi Sepp, ein Geiger von Ammannsegg, den viele Lebende noch kannten, wurde einst vom Landvogt Steiger nebst andern Musikanten an einem Samstage ins Schloss gerufen, um bei einem Balle, den der Landvogt gab, aufzuspielen. Gegen Mitternacht hörte man auf zu tanzen, und die Geladenen und die Musikanten machten sich auf den Heimweg. Hänggi Sepp legte sich mit Erlaubnis des Hausherrn, weil es ihm zu weit war, nach Hause zurückzukehren, in einem der langen Gänge auf eine Bank. Doch konnte er nicht schlafen. Er hörte halb, er hörte dreiviertel auf zwölf schlagen. Das Geräusch der im Schlosse umhergehenden Diener und Mägde verstummte. Es war in den weiten Hallen des Schlosses ganz still geworden. Da schlug es vom Kirchturme zwölf. Mit dem letzten Glockenschlage hörte er Schritte, wie von jemandem der ein langes Gewand trägt. An der Wand sah er den Schimmer eines Lichtes. Schritte und Licht näherten sich dem Geiger, der sich nicht zu rühren wagte. Endlich sah er eine Nonne langsam und feierlich daher schreiten, eine düsterbrennende Lampe in der Hand und einen Schlüsselbund am Gürtel. So wie sie näher zu ihm kam, schienen ihre Schritte immer mehr zu zögern, und als sie vor ihm stand, wandte sie ihr bleiches Gesicht gegen den Geiger und schien ihn anreden zu wollen. Dreimal ging die weisse Gestalt mit dem schwarzen Schleier an ihm vorüber und verschwand dann in dem Gang, aus dem sie gekommen war. Jetzt erst wagte Hänggi Sepp wieder richtig zu atmen. Sein Schlaf für diese Nacht war aber dahin. Sobald der Morgen graute, verliess er das Schloss.

Dies erzählte der Hänggi Sepp oft, und fügte hinzu, sein Beichtvater, den er deshalb um Rat fragte, habe ihm gesagt, er hätte die Nonne anreden und fragen sollen, was er zur Ruhe ihrer Seele tun könne, denn sie hätte durch ihn als Katholiken erlöst werden können.

Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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