Die Felsenjungfrau

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Ein Oberländer Senn hatte sich allzufrüh nach einem Mädchen umgeschaut, konnte sie aber nicht zum Weib bekommen. Um sich zu trösten, ging er zu Berg. Als er einmal auf der unteren Staffel herumlief, sah er unter einer Fluh einen rostigen Schlüssel liegen. Im Fels gewahrte er auch ein Schlüsselloch, steckte den Schlüssel hinein, drehte und schon öffnete sich der Fels. Er kam in ein erstes Gemach, dann in ein zweites. Dort versperrte ihm ein Felsblock den Weg. Da vernahm er eine Stimme: «Wenn du schon hier bist, dann komm' auch in das dritte Gemach!» Er schlüpfte unter dem Felsen hindurch. Da sah er im dritten Gemach eine Jungfrau und vor ihr einen Hafen voll Gold, an der Wand eine goldene Glocke. Und die Jungfrau sprach zu ihm: «Ich bin auf ewig verwünscht, es sei denn, es komme einer und treffe die richtige Wahl. Nimm den Hafen mit Gold, oder die goldene Glocke. Wenn du aber mich selbst wählst, dann gehöre ich, das Gold und die Glocke dir.» Der Bursche dachte an sein Mädchen und nahm die goldene Glocke. Da überschüttete ihn die Jungfrau mit Verwünschungen. Der Bursche floh hinaus und dachte, wenn ich meinem Mädchen die goldene Glocke zur Alpauffahrt bringe, wird sie sicher mein.

‏Aber das Mädchen hatte ihn längst vergessen, einen anderen liebgewonnen und geheiratet. Nun reute es den Burschen, dass er die Felsenjungfrau nicht gewählt hatte, und er machte sich wieder in die Berge auf, um den Schlüssel zu finden, und es diesmal gescheiter zu machen. Er suchte auf allen Matten und Staffeln, aber vergebens. Erschöpft erreichte er eines Abends eine Hütte. Vor der Tür sass ein steingrauer Mann, den er um Quartier bat. Er erzählte ihm sein bitteres Schicksal. Doch der Alte zeigte kein Mitleid. Kaum hatte der Bursche seine Geschichte beendet, jagte er ihn auf der Stelle davon. «Die Jungfrau im Fels ist meine eigene Tochter. Nun muss sie wieder eine Ewigkeit auf den warten, der sie von ihrem Fluch erlöst.»

 

Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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