Von unterirdischen Gängen

Land: Schweiz
Region: Stadt Bern
Kategorie: Sage

Hat man nicht schon viel von den unterirdischen Gängen gehört, die aus den Häusern der Altstadt zur Aare hinunterführten? In ihnen spielte sich manche Tragödie ab: die der verführten Mädchen, die durch sie hindurch in die Fluten der Aare geführt, die der unliebsamen Personen, die in die Gänge eingesperrt und so ohne Gericht beseitigt wurden.

Ein Herrensohn hatte das Dienstmädchen seiner Eltern verführt. Davon durften die Eltern nichts wissen. So trachtete er nach dem Tode des jungen Geschöpfes. Wann die Küche abends aufgeräumt sei, wollte er von der Köchin erfahren. Die aber ahnte Böses und versteckte sich in einem Kasten, in dem die Besen hingen.

Es war ganz stille ringsherum, da hörte sie den jungen Herrn in die Küche kommen, und bald darauf langte auch das Dienstmädchen an. Die Köchin horchte auf und hörte die zärtlichsten Liebesworte. «Schau mal,» sagte der junge Mann zu dem Mädchen, «was wird denn wohl in diesem Kasten sein?» und öffnete dabei den Kasten, der neben dem der Köchin war. Bis jetzt blieb er stets verschlossen, und niemand noch hatte gewagt, ihn zu öffnen. «Ein Bild!» rief das junge Mädchen aus. «Ist das aber schön!» «Schau es nur näher an», sagte der junge Mann. Da plötzlich - ein Schrei! Die Kastentüre fliegt zu! Dann ein dumpfes Gepolter, wie von einem Fall in einen tiefen Schacht. Und hierauf Totenstille.

Beim Morgengrauen verliess die Köchin ihr Versteck, gelähmt vor Schreck. Sie hatte stets noch auf einen Laut gewartet; es ward aber keiner mehr getan. Sie wartete den ganzen Tag, ob das Mädchen wieder kommen werde. Sie wartete ihr ganzes Leben lang vergeblich.

In der Nacht, da dies geschehen war, trugen die Wellen der Aare den Leib der Unglücklichen fort. Der Kasten ist aber heute noch verschlossen. Nachts, mit dem Schlage zwölf, hebt im ganzen Hause herum ein Ächzen und Stöhnen an, dass dem, der es zum ersten Male hört, die Haare vor Grauen in die Höhe stehen.

Aus: Hedwig Correvon, Gespenstergeschichten aus Bern, Langnau 1919

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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