Die Iddalegende

Land: Schweiz
Region: Münchwilen
Kategorie: Sage

Sancta Yta war eine Gräfin von Kilchberg in Schwaben und mit einem Grafen vermählt, der auf der Alt-Toggenburg sass. Dieser schenkte ihr einen goldenen Ring. Nun fügte es sich nach vielen Jahren, dass die Gräfin Yta eines Tages ihre Kleinodien auf ein Fenstergesims legte, um sie zu sonnen. Unter der Burg ist ein grosses Tobel, Rappenstein genannt. In demselben hatten die Raben ihre Nester mit Jungen. Da flog ein alter Rabe zur Burg hinauf, nahm den Ring vom Fenster und brachte ihn seinen Jungen.

‏Einer der Jäger des Grafen hörte die Jungen im Nest, stieg auf die Tanne und fand den Ring im Nest. Erfreut steckte er ihn an einen Finger. Einer seiner Kameraden erkannte den Ring als denjenigen seiner Herrin, ging zum Grafen und sagte, der Jäger habe Umgang mit der Gräfin. Da dies der Graf nicht glauben wollte, führte der Knecht den Jäger vor ihn, zog ihm den Ring vom Finger und fragte, ob das nicht derjenige der Gräfin sei. Der Graf liess in seiner Wut den Jäger an den Schweif eines wilden Rosses binden und den Berg hinabschleifen. Dann lief er zur Gräfin und warf sie zum Erker hinaus ins Tobel, wohl hundert Klafter tief, hinab. In ihrem Falle flehte sie zu Gott, dass er sie beschütze, und versprach, mit keinem Mann mehr Umgang zu haben, sondern ihm bis an ihr Ende zu dienen. Da erhörte sie Gott, und sie kam unversehrt am Boden an. Lange Zeit nährte sie sich nur von Wurzeln. Da fügte es sich, dass ein Jäger des Grafen im Tobel jagte. Sein Hund entdeckte die Fährte der Gräfin, und der Jäger fand sie auf. Erfreut kehrte er zum Grafen zurück und sagte: "Gott sei gelobt, dass Eure Frau noch am Leben ist!" "Das ist nicht möglich", erwiderte der Graf; "denn sie muss in tausend Stücke zerfallen sein!" Der Jäger aber beteuerte ihm, dass er sie gesehen, mit ihr geredet und dass er ihm den Kopf abhauen solle, wenn er nicht die Wahrheit spreche; sie habe ihm auch gesagt, dass er ihr Unrecht angetan. Da nahm der Graf den Jäger mit sich, und der Hund führte sie zu einer Höhle. Als sie demütig herauskam, da fiel der Graf ihr zu Füssen, bekannte, dass er ihr Unrecht getan, und bat sie um Verzeihung. Da sagte sie: "Stehe auf, Gott verzeihe dir alle deine Sünden!" Da stand er auf und bat sie, mit ihm nach Hause zu kommen, wo er den lügnerischen Knecht töten wolle. Da sprach sie: "Da sei Gott davor, dass du jemand tötest meinetwegen. Nach Hause werde ich nicht mehr mit dir zurückkehren; denn du hast mich verworfen, und der Gemahl, von dem ich nicht mehr scheiden will, der ist Jesus Christus, der mich vor dem Tode bewahrt hat. Darum bitte ich dich, dass du mir eine Wohnung machest, eine Klause in der Au, bei der Kirche, die am Hörnli liegt." Das geschah auch, und viele Jahre lang ging Yta jeden Morgen nach der Klosterkirche zur Mette; vor ihr hin schritt ein Hirsch mit 12 Kerzen auf seinem Geweih und zündete ihr auf dem Hin- und Rückweg. Nun war ein Frauenkloster in der Nähe des Benediktinerklosters zu Fischingen. Die frommen Frauen baten Yta, zu ihnen ins Kloster zu kommen, und sie willigte ein unter der Bedingung, dass man ihr eine besondere Wohnung mache und dass sie nur durch ein Fenster mit der Aussenwelt verkehre. Der Teufel versuchte sie zu schrecken, aber umsonst. Einmal lag vor ihrem Fenster ein Leichnam, der einem Herrn von Toggenburg gehört hatte. Sie sagte zu ihm: "Stehe auf und zünde mir ein Licht an!" Da ward ihr der Leichnam gehorsam und sprach: "Yta, nimm hin das Licht von meiner Land; von Toggenburg bin ich genannt!" Da nahm sie das Licht, und von da an konnte ihr der Teufel nichts mehr anhaben bis an ihr seliges Ende. Also ist sie gestorben, und am Tage nach Allerseelen begeht man ihren Jahrtag. Sie liegt im Münster zu Fischingen vor dem St. Niklausaltar begraben. Als im Jahre 1440 das Kloster abbrannte, blieb ihr Haupt unversehrt.

Nach einer Handschrift aus dem Kloster Töss aus der Stiftsbibliothek des Klosters St. Gallen, 15. Jahrhundert. MS. 603. (Lateinische Übertragung 1480 durch Albert von Bonstetten, Klosterbibliothek Einsiedeln.)

‏Quelle: A. Oberholzer, Thurgauer Sagen, Frauenfeld 1912 
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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