Die Rose der Béroche

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor langer langer Zeit lebte am Neuenburgersee in der Béroche ein junges Mädchen mit seinen Eltern in einer einfachen Hütte. Sie waren arm und mussten von dem leben, was das wenige Land hergab, denn der Vater war krank und die Mutter war vom Husten schwach. Zu jener Zeit herrschte ein böser Fürst über das Land. Er liess die Armen für das Sammeln von Kastanien und Bucheckern bezahlen und selbst Beeren durften nur nach seiner Erlaubnis gepflückt werden. Einen grossen Teil von dem wenigen, das sie auf ihren kargen Feldern anbauten, mussten sie an den Fürsten abgeben und so hungerte das Volk und viele waren schwach und krank.  

Damals waren die Ufer des Neuenburgersees ganz mit Schilf bewachsen. Dort, im Schutz der Pflanzen, badete Rose, ein junges Mädchen mit langen, goldenen Haaren. Einmal, als es wieder im schwamm, erschien plötzlich eine weisse Frau und bat: «Bitte, liebes Mädchen, bring mich über das Wasser an das andere Ufer.»

Rose schwamm an das Ufer und holte das Boot des Vaters. Sie half der Frau beim Einsteigen, begann zu rudern und seufzte dabei. Die weisse Frau fragte: «Was plagt dich, liebes Kind?»

 «Ach», sagte Rose, «einer meiner Brüder ist vor kurzem gestorben, er hatte schreckliche Bauchkrämpfe. Mein Vater hat immer Rückenschmerzen und kann kaum noch gehen und meine arme Mutter hustet jede Nacht, so dass sie nicht schlafen kann.» Die weisse Frau hörte aufmerksam zu. Als sie das Ufer erreichten, bat sie Rose mit ihr auszusteigen. Sie führte sie zu einer Wiese und pflückte einen Strauss verschiedenster Pflanzen: Salbei, Silbermantel und Labkraut, dazu pflückte sie Lindenblüten und gab sie dem Mädchen in die Hand. «Mit diesen Kräutern kannst du die Leiden deiner Familie heilen», sprach sie. Sie zeigte dem Mädchen, welches Heilkraut für welche Krankheit genutzt wurde und wie sie es zubereiten musste, dann verschwand sie.

Als Rose wieder zu Hause war, bereitete sie aus den Heilpflanzen wohltuende Salben und Tee genauso zu, wie es sie die weisse Frau gelehrt hatte. Dann rieb sie den Rücken des Vaters mit der Salbe ein und schon kurze Zeit darauf, konnte er ohne Schmerzen gehen. Der Mutter gab sie vom Tee zu trinken, und endlich wurde sie gesund.

Schon bald verbreitete sich die Kunde von ihrem Kräuterwissen und die kranken Menschen kamen zu der alten Hütte, um sich von Rose Arzneien geben zu lassen. Sie heilte Wunden, Fieber und schmerzende Gelenke und es verging kein Tag, ohne dass Menschen ihren Rat suchten.

Davon hörte auch der Fürst: «Wer hat ihr erlaubt, Kranke zu heilen?», fragte er, «Wer hat ihr erlaubt, Kräuter zu pflücken?» Sein Ärger wurde immer grösser. Also machte er sich auf zur Hütte, in der Roses Familie lebte. Das Mädchen war allein zu Hause. Es war dabei eine Salbe zu bereiten, begrüsste den Fürsten freundlich und fragte nach seiner Gesundheit. Diese Frage ärgerte den Fürsten noch mehr und er brüllte: «Woher weisst du, welche Kräuter gesund machen?» Rose erzählte von der weissen Frau. Da packte der Fürst das Mädchen und befahl ihm zu zeigen, wo es die weisse Frau getroffen hatte. Ängstlich führte Rose den Fürsten zum Wasser und zeigte an die Stelle. Doch als es dem Fürsten den Rücken zuwandte, stiess er das Mädchen in das Wasser, so dass es ertrank. Dann ging er davon.

Am Abend suchte die Mutter ihre Tochter. Mit Fackeln suchte die Bewohner vom Dorf das Ufer ab und bald sahen sie den toten Körper des Mädchens im Schilf. Erschrocken schrie die Mutter auf und die Menschen der Béroche weinten, als sie sahen, dass Rose tot war. Auf einmal begann es zu donnern und zu blitzen, dann erschien neben dem toten Mädchen die weisse Frau und sprach: «Rose, du sollst für immer eine Rose sein.» Sogleich verwandelten sich die bleichen Wangen des Mädchens in Blütenblätter und sein Körper zu einem leichten Stängel, der sich am Ufer festhielt und sich im Wind wiegte.

In diesem Augenblick erschien der Fürst, um die Menschen vom Ufer zu vertreiben, doch die weisse Frau wies mit der Hand auf ihn und rief:  «Du Tyrann, du sollst für immer ein Bär sein.» Da fühlte der Fürst, wie seine Beine schwer wurden und ihm ein Fell wuchs. Seine Hände wurden zu Pranken und entsetzt über seine Bärengestalt sprang er davon.  Er versteckte sich in einer Höhle in der Nähe, doch als sich die Leute am nächsten Tag vorsichtig näherten, sahen sie, dass er zu Stein geworden war. Von diesem Tag an aber wuchsen überall in der Béroche die heilkräftigen Rosen. Die Menschen sammelten ihre Blüten und Hagebutten und lebten lange und gesund.

Fassung Djamila Jaenike nach: Nach F. Chabloz, Patois neuchâtelois, Neuchâtel 1894,

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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