Der heilige Placidus

Land: Schweiz
Kategorie: Legende

Im Anfange des siebenten Jahrhunderts verliess St. Columbanus, der Abt des irischen Klosters Bangor, sein Vaterland, um als Glaubensbote bei den noch heidnischen Völkern des Continentes zu wirken. Er durchzog mit 12 Schülern Gallien und kam an die Ufer des Zürich- und Bodensee\'s. Seine Schüler liess er nach und nach zurück, an Orten, wo er gewirkt hatte; dann zog er, von St.-Gallen her kommend, über Chur den Rhein aufwärts, liess seinen letzten Schüler Sigisbert in der ehemaligen Einöde von Disentis (Desertina) zurück und ging im Jahre 613 über den Lukmanier nach Italien.

Sigisbert legte sich in der »Desertina« eine Zelle an, lebte als Einsiedler, predigte den zerstreut wohnenden Heiden das Christentum und gewann sie für seine Lehre.

Damals erstanden in Trons und Sumvix, wie an mehreren andern Punkten an den Ufern des jungen Rheines grössere oder kleinere Ansiedelungen, und in Trons war der Vorsteher (Toparcha) des ganzen Tales, Placidus mit Namen, ansässig. Sigisbert gewann auch ihn und fand an ihm einen treuen Freund und eifrigen Gehülfen für sein Bekehrungswerk.

Placidus begann um\'s Jahr 614 den Bau eines Bethauses an der Stelle der Klause, die Sigisbert bis dahin als Wohnung und Oratorium gedient hatte, und übergab demselben sein ganzes Vermögen; dann zog auch er, das Evangelium und Busse predigend, durch das Land und kam auch nach Curia, wo damals Graf Victor im Namen des Frankenkönigs regierte. Dieser liess Placidus, dessen Reden und Entwürfe nicht nach seinem Sinne waren, gefangen nehmen und enthaupten; noch mehr, er nahm das von Placidus dem Bethause in »Desertina« geschenkte Gut zu eigenen Handen. Die Leende erzählt: »Nach seiner Enthauptung habe der heilige Placidus sein Haupt vom Boden aufgehoben, dasselbe persönlich nach dem Bethause »Desertina« getragen und dort es dem heiligen Sigisbert übergeben. Letzterer habe Haupt und Körper des Märtyrers dort zur Ruhe gelegt, wo Abt Azo im Jahre 801 zu dessen Andenken eine schöne Kirche bauen liess.« Nach Andern wurde der heilige Placidus an dieser Stelle selbst enthauptet.

Sigisbert liess durch das traurige Schicksal seines Schülers sich nicht abschrecken, in dem Bekehrungswerke fortzufahren, und das Kloster Disentis sammt Kirche kamen zu Stande. Um diese Gott geweihte Stätte herum sammelten sich die Bewohner in festen Wohnsitzen.

Nicht lange nach Placidus\' Tode ertrank Graf Victor im Rhein zur gerechten Strafe für seine Übeltat. Tello, Bischof zu Chur, einer seiner Nachkommen, suchte diese zu sühnen und den Hass von dem Andenken seines Ahnherrn zu entfernen, indem er dem Kloster Disentis reiche Schenkungen machte und die bisherigen, ärmlichen Klostergebäude durch stattliche Bauwerke ersetzte. - Andere Schenkungen folgten, und bald ward diese Benediktiner-Abtei mächtig und reich.

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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