Cuno auf der hohen Rialt

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Hoch Rialt, du stolzes Schloss,

Das auf grauem Bergkoloss.

Hinten im Domleschger- Tale

Aufsteigt aus der grünen Schaale,

Du bist nimmer!

Schutt und Trümmer

Krönen jetzt das Felsenhaupt, das kahle. -

 

Ei, wie anders war es dort,

Als verhasst um Raub und Mord

Auf der Burg Herr Cuno hauste,

Hoch zu Rosse niedersauste,

Pilger schreckte,

Nachbarn neckte

Und der armen Bauern Fell zerzauste.

 

Cuno traf die schönste Maid

Tief in Waldes Einsamkeit;

Ungerührt vom Fleh\'n der Armen

Riss er sie mit starken Armen

Auf die Mähre:

»Kind, begehre

Von dem Hohenrätier kein Erbarmen.«

 

Lachend stachelt er sein Ross,

Ritt auf nächstem Weg zumSchloss;

Doch ein Wild\'rer hinter Tannen

Sah die Untat des Tyrannen –

Und zur Stunde

Flog die Kunde

In\'s Domleschg und weit umher von dannen.

 

Hatten Freiheit, Hab\' und Gut

Von des Ritters Uebermuth

Sich die unterdrückten Sassen

Ungeduldig rauben lassen,

Schien\'s angegen

In den trägen

Trüben Herzen Feuer jetzt zu fassen.

 

Allwärts hin die Kunde scholl,

Und von Stund\' zu Stunde schwoll

Der Empörung schaurig\' Wogen;

Brände flammten, Boten flogen,

Schwerter klirrten,

Pfeile schwirrten -

Und bald war das Vorwerk überzogen. –

 

Zaghaft weicht der Knechte Tross:

Näher rauscht der Sturm dem Schloss,

Hurtig baut sich eine Brücke,

Dass die Schaar hinüberrücke –

Welch\' Gedränge!

Sieh\' die Menge

Wälzt sich schon durch Tor und Mauerlücke

 

In den Hof! Mit blankem Schwert

Hält der Ritter da, zu Pferd,

Fest im Arm die holde Beute,

Und wie wild der Rappe scheute! –

Eines Schwunges,

Eines Sprunges

Schnellt er an den Rand der Felsenseite. –

 

Unten stürzt der junge Rhein

Durch geborstenes Gestein,

Weissen Schaum zu Tage schwitzend,

Silbern durch das Dunkel blitzend,

Und mit Tosen

Fessellosen

Gischt hoch an die Felsenwände spritzend. –

 

Und der Ritter, hoch zu Pferd,

Deutet mit dem blanken Schwert

In des Abgrund\'s Rabenschwärze;

Und des Halbmond\'s bleiche Kerze

Leuchtet milde

Ob dem Bilde,

Kalt und starr, als wie aus Stein und Erz. –

 

Doch der Ruf: »Die Maid ist tot!

Denkt an ihre letzte Not!

Rächt sie, da sie nicht zu retten,

Und zerreisst des Drängers Ketten!«

Schallt betäubend,

Vorwärts treibend,

Bis sie den Tyrann ergriffen hätten.

 

Einer streckt schon keck die Faust

Nach dem Zügel aus, da saust

Mitten durch der Strahl des Schwertes

Und das Glied vom Arme fallt.

Und in Gleichem

Spornt die Weichen

Der Gewalt\'ge seines schwarzen Pferdes. –

 

Und es bäumt sich, stöhnt und bebt;

Doch des Ritters Ferse gräbt

Stachelnd sich ins Eingeweide;

Hauend hilft des Schwertes Schneide…

Der Bedräute,

Seine Beute -

In den Abgrund fahren alle Beide. –

 

Los bricht des Entsetzens Schrei,

Und die Menge dringt herbei,

Und erklimmt der Brüstung Rippe,

Unten hängt an einer Klippe

Eine blanke

Blüthenranke,

Oben ein Gebet an jeder Lippe. –

 

Doch zum Fluche wird das Fleh\'n!

Bald - wie Trauerfahnen weh\'n

Schwarze Wolken aus den Lucken;

Rote Flammenzungen zucken

Durch\'s Gequalme

Und wie Halme

Müssen sich die stolzen Giebel ducken. –

 

Krachend stürzt der alte Bau

Und ein wüstes, dunkles Grau

Legt sich um die Mauerkrone.

Doch das Volk, im Jubeltone

Stolzer Wonne,

Grüsst die Sonne

Junger Freiheit, die da steigt zu Throne. –

 

Aber Er, der Zwingherr, muss

Nach des ew\'gen Richters Schluss,

Nachts, ein Herold der Verwüstung,

In der schwarzen Eisenrüstung,

Knisternd, glühend,

Funken sprühend

Reiten um der Burg zerfall\'ne Brüstung.

 

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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