Das hilfreiche Moosweiblein

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor langer Zeit hütete ein Hirtenbursche über den ganzen Sommer eine Herde Ziegen auf der Alp. Morgens sammelte er sie im Dorf ein, trieb sie dann die Wiesen hoch und abend führte es sie wieder hinab in den Stall. Einmal an einem heissen Tag aber, trieb der Westwind ein schlimmes Gewitter heran. Es donnerte und blitzte und ganze Sturzbäche mit Regen ergossen sich über Berg und Tal. Da verkrochen sich viele Ziegen ins dichteste Gebüsch, riefen jämmerlich nach dem Hirten: «Määh!» und «Bääh!». Andere sanken im nassen Boden ein oder rissen sich an spitzen Steinen und Dornen das Fell blutig. Viele verliefen sich  und es wurd schon fast dunkel, als der Hirt, nass und müde, nach ihnen suchte. Es war schon fast Nacht, als er tropfnass ins Dorf kam und berichtete: «Fast alle Ziegen habe ich gefunden, nur vier nicht: die Mariebeth, die Zundelgret, der Krüschknüpfer und der Kälblistopfer - alle sind wetterwild und fürchten sich beim Gewitten. Fortgerannt sind sie, die Donnersgeissen! Hätt‘ ich sie bei den Ohren packen können, sie müssten ein Liedlein pfeifen. Ich musste sie suchen, mitten im Gewitter. Ich stieg die Steinplatte hinauf, dem Fuchsloch zu und den Katzengrabe hinab, bis auf das obere Buchköpfli, dann gegen das Kessiloch und bis fast zur Heidenküche. Aber kein Ziegenschwänzchen ist zu sehen. Plitschnass steige ich in Stauden und Sträuchern herum, da hin und dort hin. Keine Spur von den Geissen!

Da auf einmal steht ein Moosweiblein vor mir. Es hüpft und gümperlet wie am Schnürlchen um mich herum, schüttelt sein kurzes Röckchen und macht Sprünge wie ein Heuhüpfer. Sein Gesicht aber ist braun und runzlig, wie ein dürrer Apfelschnitz. Da nahm ich das Herz in beide Hände und frage: „Moosweibchen, hast du meine Geissen gesehen?»

Da pfiff das Moosweibchen wie ein Mäuslein, schwenkte sein Röcklein hin und her und sprach:

‹Eins, zwei, drei – deine Geissen sind nicht heim.›

Dann pfiff\' es noch einmal:

‹Eins, drei, zwee – deine Geissen hab’ ich gesehn.›

Und wie ein Wetterleuchten war\'s auf einmal verschwunden. Aber in den Stauden und im Holz sauste und brauste es, wie wenn der wildeste Wirbelwind einen Haufen Kieselsteine auseinanderschüttelt. Vor Staunen hätte ich fast meine Ziegen vergessen, aber auf einmal standen sie da, alle vier, wie hergeblasen.

Dann aber liefen wir zusammen heim, was gisch was hesch, über Stauden und Steine.»

So berichtete der Hirt und die Menschen im Dorf wussten: Das hilfreiche Moosweiblein hat ihm geholfen. Der Junge aber konnte die Zwergenfrau nicht mehr vegessen und er dachte oft: «Ja, ein Horn sollte jeder Hirt haben, womit er Wind machen könnte wie das Moosweiblein mit seinem Rock!»

 

Märchen aus der Schweiz

 

Quelle: D.Jaenike, Kindermärchen aus aller Welt, Lützelflüh 2015, dort aus: C.Englert - Faye, Vo chline Lüte, Bern 1965

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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