Das Stumpengeld

Land: Schweiz
Region: Zürich Oberland
Kategorie: Sage

Das Stumpengeld

Die Ritter von Hohen-Landenberg hatten das Recht, bei ihren Eigenleuten das „Stumpengeld“ einzuziehen. Damit hatte es folgende Bewandtnis: Wenn nämlich im Burgbann zwei Hochzeit halten wollten, so hatte der Herr das Recht, die Braut in der Hochzeitsnacht auf die Burg zu befehlen, weil sie schuldig war, die erste Nacht mit ihm zu verbringen. Wie mancher frischgebackene Ehemann musste dieses ungeheuerliche Recht schon verflucht haben, wenn er in der Nacht nach der Hochzeit seine Frau auf die Burg bringen musste. Mit der Zeit aber konnten sich die  Bauern von dieser Plage loskaufen‚ indem sie dem Burgherrn statt der Braut eine bestimmte Summe Geldes abgeben durften. Diese Abgabe nannte man das Stumpengeld. Und noch heutigen Tages sagt man etwa noch spassweise zu einem Hochzeiter am Hochzeitstag: „Jä Hans (oder Heich), häscht s Stumpegält scho zahlt?“

Also zu jener Zeit lebte im Saland ein junger, freier Bauer, Heinrich mit Namen. Dem gehörte als Braut ein blitzsauberes Mädchen von Hinterjuckern, am Fuss des Eichberges. Das schöne Kind hatte aber auch dem Landenberger in die Augen gestochen, und er dachte, die erste beste Gelegenheit zu benützen, sich an ihrer Schönheit leiblich zu ergötzen. Die Familie des Mädchens war aber, obschon sie dem Landenberger hörig war, im Tale recht angesehen, und darum konnte der Ritter nicht ohne weiteres an das Kind geraten. Als er vernahm, dass die Tochter den Heinrich von Saland heiraten wolle, lachte er ins Fäustchen und dachte, jetzt falle ihm das Glück von selbst in den Schoss.

Eines Morgens, kurz vor der Hochzeit, erschien Heinrich auf der Burg, um seine Frau mit dem Stumpengeld von dem Rechte der ersten Nacht loszukaufen. Aber der Ritter lachte ihm höhnisch ins Gesicht und erklärte trocken, dass er das Geld nicht verlange, sondern die Braut. Das sei sein gutes Recht. Heinrich bat auf den Knien. Es nützte nichts. Mit schwerem Herzen musste er am Hochzeitstage seine Frau aufs Schloss abliefern.

Aber eine fürchterliche Rache hatte sich im Herzen Heinrichs von Saland eingenistet. Tal auf und ab suchte er Freunde und Bekannte auf, um mit ihnen zu beratschlagen, was gegen den Lindenberger zu unternehmen wäre. Auf seinen Fahrten vernahm er noch andere Ungeheuerlichkeiten des Ritters. So konnte er den sauberen Herrn bei dem Rate zu Zürich verklagen wegen Falschmünzerei, Unzucht, Raub und Diebstahl. Wohl, da stand die Stadt auf und befahl, die Burg zu erobern und zu verbrennen.

Mit einem Harst Krieger aus der Stadt und mit seinen Freunden zog Heinrich von Saland vom Rotenstein aus durch den Wald hinauf und stand mitten in der Nacht wie aus dem Boden gewachsen plötzlich vor der Burg Hohen-Landenberg. Weil der Ritter an nichts Böses gedacht hatte, konnten die Krieger die Burg mit Leichtigkeit einnehmen. Den rechtsbrecherischen Burgherrn nahmen sie gebunden mit nach Zürich, wo er auf dem Scheiterhaufen lebendigen Leibes verbrannt wurde. Dass aber von seiner Burg kein Stein auf dem andern blieb, dafür sorgte Heinrich von Saland.

Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Oberland
Mündlich überliefert in Tuckern, Saland, Undalen. Das Recht der ersten Nacht, „jus primae noctis“ ist für Hohenlandenberg nicht nachgewiesen; vgl. dazu E. Osenbrüggen, Deutsche Rechtsaltertümer aus der Schweiz, Zürich 1858

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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