Der letzte Raubritter von Gündisau

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Der letzte Raubritter von Gündisau

Unweit vom Weiler Steinland in der Gemeinde Wildberg erhebt sich ein bewaldeter Hügel, der heute noch Schlosshügel genannt wird. In seiner nächsten Nähe rauscht der Steinlandgiessen, einer der höchsten Wasserfälle des Kantons. Auf jenem Hügel stand einst eine Burg, aber heute sind davon nicht einmal mehr Trümmer vorhanden. Wenn man aber auf dem Platze mit den Füssen stark aufstampft, hört man ein dumpfes, unterirdisches Dröhnen. Es soll daselbst ein unterirdisches Gewölbe geben, in welchem der letzte Besitzer der Burg seine geraubte Schätze hütet. Im nämlichen Jahre, da König Rudolf von Habsburg strenges Gericht hielt über den Raubadel in den deutschen Landen, ereilte auch den letzten Ritter von Gündisau der verdiente Lohn.

Diethelm von Griessenberg (zu Gündisau), ein starker und gewalttätiger Raubritter, war in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts der Schrecken der Umgebung. Mit den benachbarten Freiherren von Wildberg und Schalchen, die friedlicheren Sinnes waren als er, stand er auf gespanntem Fusse. Er hütete sich wohl, mit ihnen anzubinden, um sie nicht zu Verbündeten seiner schwergeplagten Bauern zu machen.

Doch wie er auch seine Untertanen aussog, konnte er mit seinen Zins- und Steuereinnahmen nicht das Schwelgerleben führen, in welches er sich eingelassen. Er wurde zum Buschklepper, vor dessen Klauen nicht sicher war.

Unweit Steinland, am Steingiessen, wohnte der arme Bauer Meinrad Bünzli mit seiner Familie. Zu diesen Leuten flüchtete sich im Sommer 1291 die jüngste Schwester Meinrads, deren Eltern bei Turbenthal wohnten. Sie war eine eben erblühte Jungfrau und hiess Ida. Weil der Freiherr von Breitenlandenberg ihr nachstellte, wollte sie sich vor seinen Zugriffen bei ihrem Bruder verstecken. Aber sie lief vom Regen in die Traufe.

Nach wenigen Tagen hatte Diethelm sie bereits aufgespürt. Er trat in Meinrads Hütte und holte sich das wehrlose Mädchen unter höhnischem Gelächter. Doch da schwoll Meinrads Zorn. Er holte den Räuber ein, und es entspann sich ein Handgemenge, während dessen Ida entfloh. Der Ritter, ihr nachstürmend, konnte nur noch zuschauen, wie sich das Kind über den Giessen hinunterstürzte. Wild fluchend wollte er seine Wut an Meinrad kühlen. Doch ehe er sich’s versah, stiess ihn dieser in die Tiefe, in das hölIische Brautbett.

Meinrad stieg darauf in die Schlucht hinunter, um nach seiner Schwester zu schauen. Doch gab es nichts mehr zu retten; sie hatte ihr junges Leben ausgehaucht. Nicht weit davon lag Ritter Diethelm mit zerschmetterten Gliedern, noch lebend. In blinder Rache zog Meinrad ihm das Schwert aus der Scheide und brachte ihn mit seiner eigenen Waffe um. Dann trug er seine Schwester heim.

Am selben Tag noch machte sich Meinrad auf den Weg nach dem Bruggetwald, wo er den Bruder Josef in seiner Einsiedelei aufsuchte. Dieser riet ihm, die Lage auszunützen, das Raubnest auszunehmen und ihm den roten Hahn aufzusetzen, jedoch ohne Blutvergiessen. Mit diesem Rat begab er sich eiligst auf den Heimweg. Als er das Dörfchen Gündisau erreichte, trat er bei Lorenz Gubler, einem riesenhaften Kriegsmann ein. Dem erzählte er alles. Dieser zeigte grosse Lust, das Lumpengesindel in der Burg mit dem Strick zu erhöhen. Er wollte aber an den Tod des Ritters nicht recht glauben, da er ihn hieb und stichfest wusste, denn es war bekannt, dass Diethelm hierfür eine höllische Salbe besass. Aber Meinrad konnte ihm glaubhaft machen, dass der Bösewicht unten im Tobel zerschmettert liege. Drum hielten sie Rat, wie sie den Rest erledigen wollten.

Mit Leuten aus Schalchen, die sich eilig mit Sensen, Spiessen und den nächstliegenden Waffen einfanden und unter Zuzug der Männer von Gündisau umstellten Gubler und Bünzli das Eulennest. Unterdessen war man auf der Burg tätig geworden, den langausbleibenden Herrn zu suchen. Als sich die Brücke gesenkt hatte und die Besatzung unter Fackelschein die Feste verliess, überrumpelten die Bauern sie und zündeten das Raubnest an.

Der Ritter wurde in der Nähe der Trümmer bestattet. Da er ohne Leibeserben gestorben war, wurde die Burg nicht mehr aufgebaut. Im unterirdischen Gewölbe muss aber Diethelm seine Schätze hüten. Der Erzähler schliesst seine Geschichte mit den Versen:

In das düstere Gewölbe
bannt ihn die Verdammungspein,
und kein süsser Mondschein strahlet
In die graue Nacht hinein,
Wo der letzte Raubgenoss
Haust vom Gündisauer Schloss!

Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Oberland
Stark gekürzt aus Jahrbuch Pfäffikon Nr. 2, S. 65 - 89; „nach einer Sage“ erzählt von Gottlieb Egli (1880). - Vermutlich wurde die Burg „Neu-Wildberg“ im Alten Zürichkrieg zerstört. Sie stand zwischen Gündisau und Wildberg. Vgl. Aeppli, Chronik der Gemeinde Wildberg, und Ernst Zehnder, Die Herren von Wildberg im Tösstal (neues Winterthurer Tagblatt, 22. 4. 1950).

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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