Bergspiegel

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

1. Wenn man einen Berg- oder Weltspiegel will, soll man in der Heiligen Nacht auf einer Kreuzstrasse ein Loch in den Erdboden graben, einen Spiegel, mit dem Glase nach unten gewendet, darinnen vergraben und von 12 – 1 Uhr auf dieser Grube stehen bleiben. Aber da wird's nicht schön hergehen! Da werden alle Hexen und Teufel in allen möglichen Gestalten auf einen losfahren, es wird donnern und blitzen und rumoren. Aber sie können einem nichts antun; man muss nur keine Angst haben und ausharren, so kann man am Ende der Stunde den Spiegel ausgraben. Will einer davon springen, so packt ihn der Teufel. Aber in den Spiegel soll man zuerst einen Hund hineinschauen lassen, den Ersten nämlich, der in einen solchen Spiegel schaut, nimmt der Teufel. Nachher vermag jedermann mit ihm durch alle Berge hindurch und in die weitesten Fernen zu sehen, was er will, er kann z.B. von hier aus einen Freund in Paris damit beobachten.

Hans Aschwanden, 50 J. alt, Isental

2. Ein Mädchen aus der Riedmatt am Fusse des Bristenstockes in der Pfarrei Amsteg diente als Kindermagd im Wyler zu Gurtnellen. Einst kehrte in diesem Hause ein fahrender Schüler ein, gerade als das Mädchen bitterlich weinte. Warum es so flenne, fragte er. Es habe Heimweh, gestand es. »Gut, so schaue in diesen Spiegel!« erklärte der Fremde. Und es sah darinnen prächtig sein Heimen, die Riedmatt, und wie diese auf vier goldigen Säulen stand.

Peter Walker, 60 J. alt, aus der Riedmatt, Neisälä-Peeti

3. Der Stalden-Karli von Silenen, der in einer Glarner Alp diente, erhielt von seiner Frau die schlimme schriftliche Nachricht, dass Diebe seinen schönsten Kirschbaum geplündert und obendrein noch den Dolden abgebrochen hätten. Sofort suchte er einen Glarner auf, der mehr konnte als andere, dass er ihm den Dieb zeige. Der Zauberer ging auf seinen Wunsch ein. Er zog sich für kurze Zeit in sein Zauberstübchen zurück und brachte, als er wieder erschien, ein Glas voll Wasser mit, das er schweigend vor den Karli auf den Tisch stellte, worauf er sich wieder entfernte und diesen allein liess. Der neugierige Urner guckt in das Glas und sieht darin das Spiegelbild des Baumes mit dem Dieb, den er sofort erkennt, im Gipfel. Am Herbst stellte er den Kirschenschelm zur Rede, dieser aber leugnete, und es kam zum Prozess, den der Bestohlene gewann.

Ja, ja, d'Glarner chennet ä so eppis, das hennt-si scho meh g'seit.

Frau Gerig-Münsch, 91 J. alt

4. Den Geldsäckel eines Urners hatte ein Dieb zu Ader gelassen. Da nahm der Bestohlene hurtig den Weg unter die Füsse, reiste über den Klausen nach Glarus hinüber zu einem Zauberer und Wahrsager und liess sich von diesem den Dieb in einem Spiegel zeigen. Aber damit war ihm noch nicht geholfen; er wollte auch das Geld zurück; der Zauberer versprach, es zurückzutreiben, und bestimmte genau die Abendstunde, da es der Dieb bringen sollte. Und wirklich war die ganze Familie in der Stube versammelt, als dieser in rasendem Lauf hereingerannt kam. Das glühendrote Geld trug er in den Händen, blies daran und liess es blitzschnell von einer Hand in die andere geleiten und schleuderte es auf den Tisch. Es war alles bei Rappen und bei Batzen.

Zacharias Zurfluh, Erstfeld

5. Dem Besitzer der Alp Urwängi wurde oft gestohlen. Als es ihm zu bunt wurde, fuhr er mit seinem Nachen hinüber nach Brunnen und marschierte nach Schwyz hinauf zum alten Nachrichter, denn es war weit herum bekannt, dass dieser Diebe sehen und b'stellen, bannen und zurücktreiben könne. Diesen ersuchte er, einmal auf seine Alp Urwängi hinaufzuschauen. Der Nachrichter schaute und sah den Dieb, wie er gerade mit dem gestohlenen Alpchessi unter der Hüttentüre stand, und »hed-em der Bann g'leit«. Da vergass er aber, »der Bann wider üffz'tüe«, und, als im Frühling die Alp bestossen wurde, fanden die Leute den Schelm mit dem Chessi auf dem Buckel aufrecht unter dem Türgricht stehend. Sie betrachteten und erkannten ihn, wie sie ihn aber anredeten, fiel er in Staub und Asche zusammen.

Jos. Maria Aschwanden, 60 J. alt, Seelisberg

Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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