Verschwundene Städte

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Verschwundene Städte

Kloten
Am 3. September 1760 begab sich der Sohn des Untervogtes von Kloten, Hans Hug, auf die Jagd, um für seinen Hochzeitstisch einen Braten zu erlegen. Er streifte weit herum, konnte aber nichts erlegen und setzte sich müde nahe am Teich, den man das goldene Tor nannte, nieder. Nach der Sage stand hier in uralten Zeiten eine Stadt mit einem goldenen Tor. Während eines Erdbebens sei alles versunken. Doch lösen sich von Zeit zu Zeit noch Goldplättchen ab von den Torsäulen und erscheinen auf der Oberfläche des Wassers.

Hierhin hatte sich also Hans Hug gesetzt, und da träumte er vor sich hin. „Ich muss etwas erlegen!“ brummte er vor sich hin, „und wenn ich warten muss, bis mir der höllische Bock vor die Flinte läuft.“ Da lief ein ausserordentlich fetter Bock an ihm vorbei. Hug schlug an, und der Bock strauchelte, lief aber davon wie die schwarze Bise im Horner. Hans verfolgte rasch die Schweissspur. Er rannte über eine Stunde hinter dem Bock drein. Da lichtete sich der Wald. Wie er aus dem Holze heraus trat, breitete sich vor ihm eine Ebene mit einer prächtigen Stadt, die von einer Lichtflut umgeben war. Paläste mit flachen Dächern und goldenen Geländern darum herum glänzten ihm entgegen, breite Strassen zogen sich durch die mit Blumen und Springbrunnen geschmückte Stadt. Alles leuchtete in einem bunten Feuer, das nicht verzehrte, akkurat, wie es Mose sah. Leute in schimmernden Gewändern ergingen sich in den Strassen.

Hug betrat die Stadt, welche um einen wunderbaren Palast geschart war. Ein Greis trat auf ihn zu und forderte ihn auf, mitzukommen. Hans Hug, ein wenig verwirrt, fragte den Alten, wo er sich eigentlich befinde. Dieser antwortete ihm: „In Claudia!“ Der Jäger folgte dem Manne in den grossen Palast, wo er in einen Baderaum geführt wurde. Hier lag ein todbleicher Jüngling im Bade, und das Wasser war gerötet vom Blut, das aus einer Wunde floss. Der Alte warf Hug vor, er habe diese Wunde verursacht. Dieser stellte das eifrig in Abrede. Ein schönes Fräulein erschien, und Hug stellte stellte fest, dass seine Braut dagegen nur ein unansehnlicher Strohwisch war. Dieses Fräulein verlangte, dass Hug sich zur Ader lasse, damit sein Blut dem Erschöpften eingeflösst werden könne, denn, so sagte sie weiter, der Verwundete sei der vermeintliche Rehbock gewesen. Diesen Aderlass bewerkstelligte der Greis, indem er ein ekelhaftes Tier aus einer Büchse nahm und es mit seinem rüsselförmigen, spitzen Kopfende an Hugs Brust setzte. Mit zwei Fledermausflügeln, die ihm hinter dem Kopf angewachsen waren, schwirrte das Tier und sog das Blut aus Hans Hugs Herzen. Aus seinem schlaffen Schwanzende troff es dem Rehbock-Menschen in den Mund. Während dieser Prozedur hielt das Fräulein den Burschen mit zarten Armen umschlungen, auch hatte es ihm zuvor einen Becher Weines gereicht. Ein süsser Duft und leise Musik schläferten den Jäger ein, dass er alles vergass, was ihn im Leben bewegt hatte. Nur bei der schönen Jungfrau zu bleiben, war seine einziges Verlangen. Vom Blutverlust geschwächt, versank Hug in einen Dämmerzustand und erwachte nach fürchterlichen Träumen unter der Buche, unter die er sich gelegt hatte. Er blutete tatsächlich aus eine Wunde an der linken Brust. Aber ihm fehlten der grüntuchene Rock, die mit silbernen Knöpfen beschlagene Scharlachweste, der Hut, das Geld, die silberne Uhr und die Flinte.

b) Rümlang
Ja, an verschwundene Städte glaubten die Alten mit aller Beharrlichkeit, die immer wieder verstärkt wurde, wenn bei Haus- oder Strassenbauten im Boden grosse Mengen römischer Mauerreste zum Vorschein kamen, wie z.B. in Kloten.

Auch im benachbarten Rümlang stiess man oft auf solche Funde. Von dort aus schrieb schon 1841 Pfarrer Birch der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, ein Bauer habe viel altes Gemäuer entdeckt sowie viereckige Plättchen mit jüdischen Schriftzeichen. Das alles stamme wohl aus jener Zeit, da Rümlang nach der Sage noch ein Stadt gewesen und dann abgebrannt sei.

c) Seeb
Eine ähnliche Siedlung vermutete man ferner im sogenannten „Römerhölzli“ bei See in der Gemeinde Winkel. Als dort einst ein Bauer Schätze graben wollte, sei ihm nach alten Berichten die Haue wie von Zauberkräften nach unten gezogen worden, worauf er entsetzt den Platz verlassen habe.

Das Volk erzählte sich auch von einer verschwundenen Römerstadt bei Winkel-Seeb. Oft stiessen die pflügenden Bauern auf Mauerreste und fanden alte, fremde Münzen im Ackerland. Man sagte von einer alten Heidenstrasse nach Winkel und über den Berg nach Winterthur hin. Das habe man früher in der Ernte an der gemeineren Frucht im Gebiet der ehemaligen Heidenstrasse deutlich gesehen, und im Holz ob Winkel heisst ein alter, fast verwachsener Weg heutzutage (1910) noch die Mauleselstrasse, weil die Heiden mit ihren Mauleseln hier durchpassierten.

Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Unterland
a ) Kloten stark gekürzt aus Republikaner-Kalender 1840 S. 48, Titel „Der geschossene Bock“, ohne Autor.
b) Rümlang, wörtlich aus Hedinger S. 23. Seine Quelle: Notizen im Landesmuseum·
c) Seeb, 1. Abschnitt, wörtlich aus Hedinger S. 23. Seine Quelle: Notizen im Landesmuseum. 2. Abschnitt wörtlich aus Dora Rudolf, Konrad Meyer und sein Freundeskreis, ein Zürcher Literaturbild aus dem 19. Jahrhundert, Zürich 1929, S. 109. Die Autorin fügt auf der gleichen Seite hinzu, dass Meyer „durch diese Tätigkeit in Beziehung trat zu den verdienstvollen Altertumsforschern in Zürich, die dann später, angeregt durch Ferdinand Keller, weitergruben auf dem einstigen Waffenplatz der 21. Legion, deren Name, ‚Curtii Aquila’ heute noch im Munde der Alemannen als ‚Churzägle’ fortlebt“.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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