Der Teufel schenkt ein Glöcklein

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Ein Bauer ging mit seinen Knechten sehr schlecht um und behandelte sie wie ein barer Tyrann. Keiner war ihm stark genug, von jedem verlangte er Übermenschliches. Darum herrschte auch in seinem Hause beständiger Dienstboten wechsel, und es kam soweit, dass überhaupt niemand mehr bei ihm dienen wollte. So musste er es mehrere Jahre allein, ohne Knechte machen. Endlich meldete sich wieder ein landsfremder Mann und bot seine Dienste an. Der Meister musterte ihn scharf vom Kopf bis zu den Füssen. Seine breitschultrige, kräftige Gestalt gefiel ihm, und er dachte, das könnte jetzt noch der rechte für ihn sein. Er stellte ihn also ein. Der Fremde erwies sich als ein fleissiger, zuverlässiger und »aufgeklärter« (d.h. fröhlicher) Mann, der geradezu übernatürliche Kräfte an den Tag legte.

Einst hatte der Bauer in einem fast unzugänglichen Tobel eine ungeheure Masse gefällten Holzes zum Abtransport bereit gemacht. Dieses Holz spedierte der Knecht in einer einzigen Nacht, niemand wusste wie, bis zu Haus und Hof. Das konnte aber nicht mit rechten Dingen zugehen. Dem Meister wurde doch etwas unheimlich zumute, und die Leute flüsterten ihm von allen Seiten zu: »Du, das ist gewiss der Teufel!« Darum sagte er eines Tages zu ihm: »Ich muss dich entlassen, wiewohl es mir leid tut. Du bist gewiss ein guter Arbeiter, wie ich noch keinen gefunden und keinen mehr finden werde, und ich werde dich gehörig auszahlen. Aber bei uns bleiben kannst du nicht.« Nun erklärte der Knecht, er wolle keinen Lohn, wenn der Bauer in die Kapelle einer nahen Alp ein Glöcklein, ein kleines, bescheidenes Glöcklein stifte. Da dachte der Bauer: »Wenn das ein Teufel ist, so ist's doch wenigstens ein guter Teufel«, willigte ein und versprach, das Glöcklein zu schenken. Der Knecht ging davon und entschwand bald seinen Blicken. – Getreulich hielt der Bauer sein Versprechen. Schon im nächsten Sommer erfreuten und erbauten sich die Älpler an des Glöckleins trauten Klängen. Eines Tages erschien plötzlich wieder der entlassene Knecht im Hause des Bauers und lud ihn ein, mit ihm das neue Glöcklein in der Alp zu besichtigen. Der Bauer willfahrte seinem Wunsch, und beide miteinander machten den Gang zur Alp und beschauten das Glöcklein und lauschten seinen Klängen. Beide Männer zeigten sich befriedigt. Als der Knecht die Hand zum Abschied reichte, konnte der Bauer sich nicht mehr halten und fragte ihn, wer er denn eigentlich sei. Da bekannte er: »Ich bin der Teufel. Siehst du, früher hat der Geistliche, wenn er in der Kapelle Messe las, gewartet, bis alle Leute da waren. Die Andächtigen beeilten sich, zur Kapelle zu gelangen, und bis alle da waren und der Geistliche begann, wurde leider noch manches Vater Unser gebetet, und die Messe wurde ganz angehört. Jetzt aber wird es zur bestimmten Zeit läuten, die Menschen werden sich auf das Zeichen des Glöckleins verlassen und erst, wenn es läutet, anfangen, ihre Haare zu kämmen, die Kleider zu ordnen. Der Geistliche aber wird punkt zur bestimmten Zeit beginnen, so wird niemand mehr zu früh, wohl aber gar mancher zu spät kommen. Und daran habe ich meinen Profit.« Und auf einmal war er wie weggeblasen.

Nach Aussage meiner Erzähler stammt diese Sage aus dem Tal der Engelberger Aa.

Michael Walker, Michael Imhof

Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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