Metteli

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Um das Dorf Wettingen gilt von hoffärtigen und gewaltthätigen Leuten die Redensart „es wurd ei'm meine, de sîg de Metteli“, man möchte fast meinen, er sei ein Mann gleich dem Metteli, dem berühmten Vogt. Eine Viertelstunde vom Dorfe am Abhange des Lägerenberges liegt im Steingerölle des Bergschuttes ein überwaldeter Platz, das Steinbodenmätteli geheissen. Hieher versetzen einige dieses Vogtes Schloss. Andere suchen es auf der Höhe des Lägeren, gegen das Dorf Otelfingen zu, wo sich ebenfalls alte Mauertrümmer finden. Als bestimmt aber gilt es übrigens, dass der Vogt Metteli jetzt noch vom Steinbodenmätteli aus über die Zindelmatten bis gegen das Bannholz gefahren kommt und von dorten der alten Strasse nach ins Dorf herein. Vier Schimmel sind dabei sein Gespann und hinterher folgt ein heftiges Rauschen.

J. Merz, Poet. Appenzeller 1836, S. 177 hat die Sage vom Metteli bedichtet: Me hört dick emol sägen im Land „so rîch wie der Mötteli, oder: er het Möttelis Guot“. Der St. Galler-Sage zufolge hat Hans Mötteli das Schloss Rappenstein, das ehemals Martistobel hiess, vom Kaiser zu Lehen erhalten 1483. Heut zu Tage wird Schloss Sulzberg beim Volke Möttelisschloss genannt; bei Untereck, Bezirks Rorschach. Es soll dies das einzige Schloss der Gegend sein, das die Appenzeller in ihrem Freiheitskriege unzerstört gelassen haben. Rudolf Mötteli, des reichen Hansen Bruder, soll es gekauft haben. Jetzt ist es im Besitz der Salis-Soglio. Da bewachen zwei Jungsfrauen, jung und schön, in weissen Kleidern und rothen Schuhen, aber beide in Ketten gehend, einen im Schlosskeller vergrabenen Schatz. Wer um Mitternacht anpocht, den bitten sie beweglich um den Erlösungskuss; allein ein riesiger Hund verhindert stets Mötteli's Geld zu erheben, und so zerfällt das Schloss immer mehr. Am Burgstadel hört man Kegel schieben, die Kugel in die Kegel einprallen und fröhliches Gelächter der Spielenden. Vgl. Appenzell. Monatsblätter 1825, 168.

Diese Sage ist alt und gieng ziemlich frühe in die schweizerischen Chroniken über, so dass noch in den jetzigen Handbüchern der Schweizergeschichte vom reichen Metteli herkömmlich die Rede ist. Man berichtet, er sei während des Schwabenkrieges 1499 als Auszüger im Schweizerheere von den Landsknechten im Hegau gefangen genommen worden. Auf des Grafen Jost von Zorn Verwendung gelang es ihm, sich endlich um 2000 fl. loszukaufen. Kaum war das Geld erlegt und Metteli wieder auf St. Galler Boden angekommen, so überfielen dorten die deutschen Landsknechte plötzlich Reineck, wo er sich eben aufhielt, und nahmen ihn zum zweitenmale gefangen. Lenz, der gleichzeitige Chronist des Schwabenkrieges (herausgegcb. von Diessbach, Zürich 1849) reimt S. 132 b. darüber:

der rychen mettelin eyner zur fart
von lantsknechten gefangen ward,
den furten sy mitt jn hin,
den lost graff Jöst von Zorn an jn,
umb zwei tusent gulden ab,
den lantsknechten er sy gab.
Die lantsknecht ouch namen
jr teyl, zweyhundert um kamen
zu Ryneck in derselben not.
Das schloss Ryneck man behielt,
die swaben man zur Flucht schilt,
mitt dem mettelin sy entronnen
wider uber See schwummen.

Auf diesen Vorgang scheint sich die Redensart von des Mötteli's Geld und Gut zunächst zu beziehen und was sonst Kirchhofer, Sprichw. No. 116 darüber Allgemeines beibringt. Allein diese historische Beziehung, welche man der Sage zu geben versuchte, hatte dennoch keine Dauer in der Volks-Erinnerung. Tobler, Appenz. Sprachsch. 320 a. weiss aus der Volksrede nichts von einem rîcha Mötteli, wohl aber von einem sprichwörtlich geltenden Müeda Mötteli; man bezeichnet damit eine lästig fallende Person, in dem wegwerfenden Sinne, in welchem der Glîchsaeree im Reinh. Fuchs W. 658 den Namen als Scheltnamen anwendet.

Ich will hier das Wenige was mir über den historischen Mötteli in die Hände kam, mittheilen. Zu Ende des 15. Jahrh. versteuert der Reiche Mettelin (Mattelin) zum Rapenstein, Patricier der Stadt Ravensburg, sein der Stadt eidlich auf 150,000 fl. angegebenes Vermögen. Naumann Serapeum 1845, 263. Rudolf Möttelin, 1417 Bürger zu Ravensburg, kauft das Dorf Woringen im Allgäu, geräth aber darüber mit dem Abt von Kempten in einen achtjährigen Zehent-Prozess. 1452 geht dann das Dorf an Walther Mettelin über, nach ihm an Hans von Rappenstein, genannt Mettelin. Haggenmüller, Gesch. v. Kempten 1, 239. 257. 431.

Wegen fortgesetzter Prozesse wandern die Mötteli in die Schweiz aus. Durch den Stadtjunker Jak. Mötteli, dessen Vater Junker Joach. Mötteli gewesen, erhält Winterthur 1540 das weitläufige Möttelihaus geschenkt. Winterthur. Neujahrs-Bl. 1836, 4. Ruine Altregensberg am Katzensee, Kant. Zürich, war Mitte des 15. Jahrh. Mötteli's Eigenthum; von ihm gilt noch die auf jeden Verschwender gedeutete Redensart: man sollte meinen, er hätte Mötteli's Gut.

Auf dem Landrücken zwischen dem See von Pfäffikon und Greifensee nabe bei Rutsperg lag zur Zeit des Chronisten Stumpf noch viel altes Gemäuer, das auch jetzt theilweise noch vorhanden ist und auf ein untergegangenes Städtchen gedeutet wird. Seit Jahrhunderten heisst dieser Platz Mettlen. Meyer- Knonau, Kant. Zürich 2, 493. 1, 91. Dorf und alte Burg Mettlen im Kant. Thurgau verzeichnet Pupikofer, Kant. Thurg. 304.

Das Geschlecht der Möttele besteht noch im Appenzell Ausser-Rhoden in den Gemeinden Stein, Speicher, Trogen. Appenz. Monats-Blätter 1840, 161. Im Aargauerlande sind Gross- und Klein-Metteläcker im Schneisingerbann; Mettelwiesen im Hochwalde von Ober-Siggingen. Handschriftlicher Klingnauer Probstei-Zinsrodel, erneuert von Jak. Bluomer, Landvogt zu Baden, 1663, pag. 122. 144.

Mythologisch wichtig werden nun dabei folgende Thatsachen. Das Appenzeller Mötteli-Schloss heisst ursprünglich Martistobel, dort wohnen zwei valkürenhafte Wunschjungfrauen, umgeben von den klaffenden Hunden der W. Jagd und bieten Schätze dar. Der Wettinger Metteli hat gleichfalls seine Schlossruine und fährt von ihr auf dem Lägerngebirge auf unverrückbarem Geisterwege mit vier verzauberten Schimmeln aus. Nun ist in No. 499 gezeigt, wie dem hl. Martinus Schimmel als Kirchenrosse geweiht wurden. Martinus ist aber ein Stellvertreter Wuotans-Mars, von dessen Heidentempeln ums Jahr 980 noch geschichtliche Zeugnisse reden: Myth. 1203.

Beim Martisbauern zieht daher das Muetisheer mit allen Hunden durch die Keller. Meier, schwäb. Sag. No. 151. Die Thüringer Sage bei Sommer No. 8 kennt eine Frau Motte am Gutenberg hausend, welche in derselben Weihnachtszeit wie unser Guetisheer, hergezogen kommt. Gutenberg wäre langobardisch Gwodanes-berg, wie lotharingisch Vaudemont, Vodani mons. Gleicherweise liegt ein Gudensberg bei Maden (Mattium) und heisst 1154 Wuodenesberch. Ortschaften Waten und Motten liegen beide zusammen an der Fulda. Beim Sakermoht, bei der Moht-krenk schwört man in Köln (Weyden, Vorzeit Kölns 243). Das Mottisheer wird in Schwaben das Nachtgetöse der W. Jagd, und in Burgdorf im Emmenthal metaphorisch der Lärmen einer aus dem Schulhause herauspolternden Kinderschaar genannt. Unser Mötteli und Metteli reiht sich also wie der W. Jäger Mutti (No. 112) sprachlich und mythisch dem Gotte Muet an, von welchem Anmerk. „Matthisethier in Reinach“ die Rede ist.

Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 163

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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