Der Sodhubel bei Safenwil

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Wenn man, um von Safenwil nach dem eine Stunde entfernten Zofingen zu gehen, den Fussweg über den Brünnligberg einschlägt, so führt derselbe auf der Berghöhe rechter Hand zu einem kleinen Waldvorsprung hinaus, wird dann schmaler und verwachsener und mündet auf einer bewaldeten, ringsum abgerundeten Anhöhe.

Sie heisst Sodhubel, eine Viertelstunde von Safenwil entfernt und in die Dorf-Gemarkung gehörend. Diese Anhöhe ist nach dem Sodbrunnen benannt, der auf ihrer Mitte liegt, ein kreisrundes Loch von fünf Fuss Durchmesser. Alle Winde wehen den Brunnen voll Waldlaub, Schutt und Schnee, gleichwohl mag seine jetzige Tiefe immer noch gegen hundert Fuss betragen, denn es dauert eine ziemliche Zeit, bis man den hinabgeworfenen Stein unten aufprallen hört. Man will ihn jetzt gänzlich zuschütten, weil es schon öfters vorgekommen ist, dass Jagdhunde in Verfolgung eines Wildes in ihn hinabstürzten und umkommen mussten. Wendet man dem Brunnen den Rücken und geht einige Schritte am nördlichen Abhange des Hügels hinab; so steht man abermals vor einem Erdloche. Der Einschlupf ist sehr enge, jedoch erweitert sich die Höhle gegen innen und kann auf hundert Schritte begangen werden, dann aber soll sie plötzlich senkrecht abfallen. Ein neuerer Versuch, ihr Inneres zu erforschen, misslang, die stockende Luft löschte Licht und Fackel aus. 

Auf dieser Stelle fanden sich vor nicht langer Zeit noch Mauertrümmer vor, sie sind verschwunden, seitdem hier ein Steinbruch angelegt ist. Es waren die letzten Reste eines Schlosses, das man Scherenberg nennt. Noch heissen die nächsten Landstücke Schlossweid, Schlossrain, Schlossweg.

Jener Brunnen, heisst es nun, war also der Burgbrunnen, und die Höhle entweder das Burgverliess, oder ein geheimer Ausgang für den belagerten Zwingherrn. Dieser war ein leidenschaftlicher Jäger gewesen. Mit seinen Trosse zertrat er den Bauern alle Saaten. Dafür nahmen diese Rache und zerstörten ihm, während er gerade in der Abtei Sankt Urban auf Besuch war, sein Schloss. Als Wut darüber nahm er sich selbst das Leben. 

So oft es nun anderes Wetter geben will, sehen ihn die Leute mit zwei rot- und weissgefleckten Hunden aus dem Wäldchen des Brunnligberges heraustreten. Er geht in grüner Tracht mit Büchse und Weidsack, aber ohne Haupt. Beständig den Hunden rufend, schreitet er quer über den Anger und verschwindet immer an der gleichen Waldspitze.

So zeigt er sich am Tage; in später Nacht aber fährt er in einer rasselnden Karosse über den Berg, oder er wandelt als flackerndes Licht den Fusspfad bis zu den nächsten Häusern hinab, wendet auf halbem Wege wieder um und umkreist etliche Male seinen Hubel. Da darf ihm niemand in seine Bahn kommen, es ist der Glaube vieler Leute, dass er einen in den Sodbrunnen oder in die Höhle stürzen würde.

Im Dorfe vermutet man, dass auch die folgenden Erscheinungen mit der des Scherenberger Zwingherrn zusammenhängen. Es kommt durch Safenwil von Zeit zu Zeit des Nachts das stets gleiche Mutterschwein mit einer immer gleichen Zahl Ferkel gelaufen. Seinen Weg nimmt es von dem sogenannten Büntli her, einer eingefriedeten Landstrecke, und es verschwindet da, wo aus dem Abbruche eines alten Bauernhauses die jetzige Färberei im Dorfe gebaut worden ist.

In diesem Gebäude aber nahm es die Gestalt eines ungeheuren Mannes an, der mit langen Beinen und wie auf Stelzen schreitend in gewaltigen Schritten bis auf die Trockenböden hinaufstieg. Statt seines Hauptes sah man nur seinen übergrossen Hut. So beschreiben es der Färbermeister, sonst ein tüchtiger und kluger Mann, und die Männer, die der Reihe nach die Nachtwache im Fabrikgebäude zu halten haben. Stets nahm es seinen Weg gegen einen Balken zu, der zur Stütze eines Türbalkens noch nicht lange in den Saal gestellt worden war, und verschwand alsdann.

Man musste auf den Rat der Wächter diesen Balken hinweg nehmen und verbrennen. Das Lokal wurde umgeändert und ein Dampfkessel hineingesetzt. Seitdem hat hier die Erscheinung ein Ende genommen. 

 

Quelle: Ernst L. Rochholz, Naturmythen, Neue Schweizer Sagen, Band 3.1, Leipzig 1962

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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