Der Wildjäger straft Rossquäler

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Wem blieb nicht der Weg im Gedächtnisse von Zurzach nach Kaiserstuhl, wie er ehemals bergauf und bergab gieng, wie vom Himmel in die Hölle; das war seit alten Zeiten die Arme Sünder-Strasse für alle Rosse und der Schrecken für alle Fuhrleute. Da hat gewisslich keiner die Strecke vergessen am Degerbache zwischen Mellikon und Rümikon und jene andere Stelle gerade über dem Dorfe, wo der Teufel hinter jedem Nussbaum stand, um die Geisselhiebe und Flüche alle aufzuschreiben in seinen Kalender.

Es ist noch nicht lange her - erzählte meiner Mutter Grossvater - dass da der Rudi von Rietheim ganz blutig und zerhauen am Rümikoner Wirthshaus vom Stallknecht betroffen worden ist; sein Frachtwagen hatte schon Halt gemacht vor der Wirthsthüre, er aber stemmte noch immer die Schulter ins hintere Wagenrad und schob übermenschlich, als müsste er die Fuhre noch fortwährend weiter fortstossen. Er war ganz erstarrt und verwirrt, so zog ihn der Knecht heraus und brachte ihn herein. Als er in der Wirthsstube an der Wärme wieder zu sich gekommen war und der Stallknecht auch mit einem bedenklichen Gesichte erschien, weil ihm draussen eben eine ganz fremde Stimme „Ausspannen!“ zugedonnert habe, musste der Rudi berichten, wie es ihm heute ergangen. Nun erzählte er, dass er sich des Morgens in Zurzach zu lange aufgehalten und zu viel geladen habe; aber statt mehr zu füttern, habe er sich gedacht, wie der Haber jetzt doch gar so teuer sei und wie die Gäule nur um so besser bergauf ziehen möchten, wenn sie die Bäuche nicht zu voll hätten. Auf dem Wege habe er noch einmal eingekehrt, den Pferden aber auch nicht über vier Batzen Heu geben lassen. Zwar sei auch dort der Stallknecht mehrmals gekommen und habe gefragt, ob man nicht ein wenig ausspannen solle; allein es wäre alsdann eben allzu spät geworden und so habe er es denn bleiben lassen. Bald wollten hierauf beim Weiterfahren die Pferde nicht mehr anziehen und am Degerbache standen sie ganz still. Alles Zerren am Zaume, alles Peitschen und Anschreien half nichts; brennenden Schwamm habe er ihnen unter den Schwanz gelegt und einen Fluch fürchterlicher als den andern getan. Nun wollt' ich doch, dass unserm Hergott im Himmel seine zwei schönsten Engel..... schrie er, und hatte noch nicht ausgeredet, da sei hinter dem Baum hervor einer gekommen, habe ihm die Peitsche aus der Hand gerissen, ihn in die Speichen des Hinterrades gedrückt und geschrieen: „Wart', du Mordiofuhrmann, dir will ich fahren!“ Hinten am Wagen ins Rad geflochten, habe er jetzt mitstossen müssen bergan, dass er meinte, das Herz wolle ihm aus dem Leibe brechen, und ging's nicht gleichmässig im Augenblick voran, so seien Peitschenhiebe hergeflogen, als würden ihm Hosen und Kittel mit einem Scheermesser zerschnitten.

Als der Rudi das erzählte, schlotterte er und die Zähne klapperten ihm wie ein Storchenschnabel. Am andern Morgen beim Weiterfahren lief er wie auf Eiern; dem Knecht befahl er, recht gut und langsam zu füttern, einen Teil der gestrigen Last lud er selbst ab, und für die Pferde nahm er noch ein Extrabrod mit auf den Weg. Dann führte er ein Ross ums andere aus dem Stalle wie Prinzessinnen, und als sie nun anziehen sollten, sagte er ganz sanft und hübschlich: Hü, in Gottes Namen.

Von der Zeit ging's auf dieser Teufelsstrasse ein wenig manierlicher her; sogar ein Kreuz setzten die Leute hin, das ist zwar nun wieder weggekommen, seit die Strasse neu gemacht und die Brücke dorten gebaut worden ist; aber die Geschichte von dem Basler Kaufmann, der hier begraben liegt, weiss noch jedes. Es war in der Zeit des dreissigjährigen Krieges. Er ritt von der Zurzacher Messe heim, eine schwere Geldkatze um den Leib geschnallt. Hier wurde er von einem abgedankten Soldaten erstochen und ausgeraubt. Doch das ledige Ross verfolgte den entfliehenden Mörder so lange, bis es ihn mit seinen Hufen zerstampft hatte. Seitdem soll man um die Herbstzeit ein feuriges Ross einen Mann durch diese Wälder verfolgen sehen.

Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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