Die Erdmännlein zu Leuggern

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Bei Leuggern, einem Dorfe das nahe dem Ausflusse der Aare in den Rhein gelegen ist, findet sich in den Waldungen zwischen Fehrenthal und der Mooshalde in einer Bergwand eine runde Höhle, in deren Innerem viele geheime Gänge in Windungen und Zickzack laufen. Hier haben Erdmännlein gewohnt, die von Gestalt zierlich und niedlich gebaut, etwa drei Fuss hoch waren, blass aussahen, wolliges Haar hatten, im Übrigen aber gewöhnlichen Menschen glichen, nur dass man keine Füsse an ihnen bemerken konnte. Nachts kamen sie häufig in die Wohnungen und verrichteten bei den Bauern allerlei Geschäfte, fütterten das Vieh und halfen sogar mitwaschen. Gleich nach dem Läuten der Betglocke erschienen sie und schafften oft die ganze Nacht hindurch; läutete aber die Morgenglocke, so verschwanden sie plötzlich mitten unter der halbgemachten Arbeit. Der grösste Glanz verbreitete sich, so lange sie da waren, und im nächsten Augenblicke schon waren sie nicht mehr zu sehen.

Auch brachten sie schön gebackene Kuchen mit, und meiner Grossmutter Brudersohn erinnert sich noch, in seiner Jugend selber davon gegessen zu haben. Einst an einem langen Sommertage läutete der Sigrist schon um sieben Uhr den Abend ein und meinte, nun würden sie sich beim Tageslicht ganz und gar betrachten lassen; allein er täuschte sich doch, denn sie kamen zwar augenblicklich droben aus dem Gebüschen hervor, wendeten sich aber eben so eilig aus der Tageshelle wieder in ihre Höhlen zurück. Diese Tücke musste sie erzürnt haben, denn von da an waren sie manches Jahr lang nicht zur geringsten Arbeit mehr zu brauchen. Da beredete einmal ein Bursche des Dorfes seine Kameraden, ihn an einem Seile von der Höhe der Bergwand bis an jene Höhle herunter zu lassen; man könnte dann von oben her beobachten, wie es sich drinnen verhalte, und ob da wirkliche Erdgeister mit Ziegenfüssen, oder nur eine Art verwilderter Menschen wohnten. Dies geschah. Das festeste Seil und von solcher Dicke, dass es unmöglich reissen konnte, ward um seinen Leib gebunden und ihm noch ein anderes dazu in die Hände gegeben, mit dem er den oben Stehenden das Zeichen geben sollte, ihn nach seinem Willen wieder empor zu ziehen. Als nun das Tragseil schon lange abgerollt war und am andern immer noch kein Zeichen zum Aufziehen geschah, gerieten die Kameraden in Angst; und wie erschraken sie, als beim raschen Aufwinden statt ihres Gesellen der leere Strick zum Vorschein kam, dessen Schlingen und Knoten alle rein aufgelöst waren und nur noch die Haare und die Schuhe des Verlorenen zurückbrachten. In Schrecken und Graus stoben sie auseinander.

Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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