Das silberne Hufeisen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

In der Stadt Turin soll einst ein Graf aus dem Wallis oft am Hofe erschienen sein, um dem Herzoge von Savoyen seine ergebenste Aufwartung zu machen. Wegen seiner bürgerlichen Kleidung aus braunem Trilch welchen seine Frau und seine Töchter gesponnen haben sollen, wie es dazumal auf Ritterburgen noch Brauch war, rümpften die Hofschranzen über ihn die Nase und begegneten ihm verächtlich. Man schrieb nämlich seine einfache Kleidung bald seiner Armut, bald seinem Geize zu. Nur beim Herzog stand er in hoher Gunst und wurde von ihm stets mit Auszeichnung behandelt.

Da fand man einst in der Hauptstrasse der Stadt ein Hufeisen, und zwar von geschlagenem Silber. Das machte nicht wenig Aufsehen. «Wer mag wohl der vornehme Herr sein, der sein Reitpferd mit Silber beschlagen lässt?» so ging es von Mund zu Mund. Der Ruf von diesem seltsamen Funde kam selbst bis an den Hof. Aber die Verwunderung stieg jetzt aufs höchste, als man vernahm, es gehöre dem Grafen aus dem Wallis im braunen Trilchrocke. Mehrere Hofherren, die ihn bisher kaum über die Achseln angeblickt hatten, schickten sogar Kundschafter ins Wallis, um sich über seinen Vermögensstand zu erkundigen. Diese kehrten zurück und erzählten von seinem grossen Ansehen, das er im Wallis und bei vielen Monarchen geniesse, von seinem Palast, dessen drei hohe Türme man meilenweit sehen könne, von seinen Gütern, und dass er von Mailand bis Lyon in seinen eigenen Häusern übernachten könne. Kurz, sie berichteten von seinem Reichtume, aber auch von seiner Freigebigkeit gegen Kirchen, gegen Klöster und Arme, und sie zählten auf, welche ungeheuren Summen er zur Verschönerung der Gotteshäuser, zu öffentlichen Bauten und wohltätigen Instituten verwende. Da machte das Hofgesinde, welches ihn wegen seiner Armut und seines Geizes so verächtlich angeblickt, grosse Augen, und das Spötteln über seinen braunen Trilchrock wurde kleinlaut. Und so wie man zuvor viel und halblaut von seinem Geize und seiner Armut gesprochen hatte, so redete man jetzt allgemein und ganz laut von seinem Reichtume und seiner Freigebigkeit.

BRIG

Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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