Die Taube

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Ein Ritter kam in ein verlassenes Schloß und fand in einem Gemache die besten Speisen und den feinsten Wein, die er sich wohl schmecken ließ. Als er aber gegessen und getrunken, kam ein Fuchs in das Gemach und sagte ihm, er habe verzauberte Speisen gegessen und verzauberten Wein getrunken, er müsse ihm nun sieben Jahre dienen und während dieser Zeit Holz spalten. Wenn der Ritter aber seine Pflicht tue und vor allem nicht in das kleine Gemach mitten in der Burg blicke, so würden Beide befreit werden und er, der Ritter, in den Besitz großer Reichtümer gelangen. Dieser fügte sich ins Unvermeidliche, spaltete fleißig Holz und hütete sich vor dem verhängnisvollen Gemache. Aber ehe die sieben Jahre vergingen, hatte der Mann seine guten Vorsätze vergessen und schaute in das Gemach, aus welchem der Fuchs hervorsprang und ihm, halb zürnend, halb trauernd, sagte, sie Beide müßten noch sieben Jahre im Schlosse liegen, und er möchte sich doch vor dem Gemache hüten.

Der Ritter spaltete wieder geduldig Holz und ging sechs Jahre lang scheu am Gemache vorüber, konnte sich aber zuletzt nicht überwinden und tat, was er hätte unterlassen sollen. Da erschien der Fuchs wieder, weinte bittere Tränen und ermahnte den wankelmütigen Ritter, während der letzten sieben Probejahre doch standhaft zu bleiben, da sie sonst Beide auf tausend Jahre hin verloren wären. Das nahm sich der Mann zu Herzen; er spaltete Holz und floh das mittlere Gemach des Schlosses, wie die Hölle, und überwand glücklich seine Neugierde. Da kam wieder der Fuchs und war überaus fröhlich und lobte und herzte in seiner Art den Ritter. Dann hieß er ihn das während der dreimal sieben Jahre gespaltene Holz zu einem Scheiterhaufen zusammentragen, ihn, den Fuchs darauf legen, den Holzstoß anzünden und der Dinge warten, die da kommen sollten.

Und der Ritter tat, wie ihm befohlen. Im Schloßhofe erhob sich bald darauf ein mächtiger Holzstoß, worauf der Fuchs angebunden lag, und am dritten Tage schlug die Flamme gen Himmel empor, die Mauern und Zinnen der Burg mit überirdischem Glanze verklärend. Und wie der Ritter da stund und in das Flammenmeer schaute, da entflog dem Scheiterhaufen eine blendend weiße Taube und schwang sich empor auf goldenen Flügeln in das Abendroth gegen den lichten Äther und eine Stimme aus den Wolken rief hernieder: »Die Seele ist gerettet und Burg und Wald und Land gehören dem Ritter.«

 

Quelle: Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, n Val bei Somvix erzählt.

 

 

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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