Feuerzeug

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Einem braven Mädchen zu Escholzmatt im guten Lande Entlebuch war ein Erdmändli innig hold und wünschte es wahrhaft glücklich zu sehen. Wie 's denn geht, das Mädchen stand im Begriffe, einem Jünglinge für immer, meinte es, seine Neigung zu schenken. Aber das Erdmännchen kam und zeigte sich darüber sehr betrübt. Bei diesem werde sie 's nicht gut haben; dieser sei nicht, wie man wünschen möchte; diesem könne es, das Männchen, jenes wichtige Geschenk nicht übergeben, das er so gerne ihr zum Heile ihrem Freier überlassen möchte. Da ward das Mädchen gerührt, stand ab von dieser Wahl und reichte ihre Hand einem, der vollständig das Zutrauen des Erdmännchens besass. Und was schenkte er ihm? — Ach, nur ein Feuerzeug, bestehend aus Stahl und Feuerstein. Wie dumm! Nein, nicht so dumm. „Siehe," sagte das Männchen, „das ist ein gar wichtiges Feuerzeug, zu dem du Sorge tragen sollst, wie zum grössten Schatze, du darfst es jedoch nie gebrauchen als in der höchsten Not. Alsdann aber, wenn du schlägst, wird gleich jemand hinter deinem Rücken fragen: „Was willst?" Du antwortest, jedoch ohne dabei umzuschauen, worin dein Wunsch bestehe und — er ist erfüllt." Der Frau durfte er von dem Geschenke gar nichts sagen. Es ist gut. Als im nächsten Wonnemonat der junge Ehemann hoch auf einem Fluhsatze die schönsten Fluhblumen erspähte, da erfasste ihn ein unwiderstehlicher Drang, sie zu pflücken und der Frau zum Gruss zu Erdmännchens bringen. Ein kühner, gewandter Kletterer wagte er sich zur gefährlichen Stelle hin, gewann den Strauss, aber jetzt bröckelte der Felsen los, nur ein Strauch, an dem er sich mit einer Hand noch hielt, ermöglichte es, einige Sekunden den Sturz hinauszuschieben. Das Feuerzeug? Ja, er besinnt sich plötzlich darauf. Die freie Hand bringt es aus der Tasche, vermag mit Not den Stein in zwei Finger der andern zu schieben und Feuer zu schlagen. Kaum geschehen, fragt jemand hinter seinem Rücken nach dem Wunsche, der nicht sobald ausgesprochen als erfüllt war und den armen Mann aus aller Todesangst enthob. Nun ruhte das edle Feuerzeug wieder lange in halber Vergessenheit. Einmal erkrankte die Frau. Das Erdmännchen kam und brachte Medizinen. Doch, wer weiss, was der Gemahl für eine düstere Laune hatte, er traute halb und halb dem Mittel nicht. Deshalb genas die Frau auch nicht und es wurde stündlich schlimmer mit ihr. Schon lag sie in den letzten Zügen. Der Mann war untröstlich und schluchzte: „Ist denn auch kein Kraut mehr gewachsen auf Gottes Erdboden, das hilft?" — „Narr, dein Feuerzeug“, — denkt und spricht er plötzlich und halb unwillig, dass es ihm erst jetzt einfalle. Er greift in die Tasche; — nichts mehr da! Nun fällt ihm ein, dass wohl sein Misstrauen gegen das gute Erdmännchen Schuld sein möchte am Verschwinden des rettenden Mittels in grösster Not. Und es reut ihn gotterbärmlich: „O nur auch noch dieses Mal!" ruft er zum unsichtbaren beleidigten Freunde, welcher sich wirklich erweicht und das Feuerzeug zurückstellt. Feuerschlagen und der rufenden Stimme antworten, das Heilmittel in Empfang nehmen, war alles fast nur eine einzige Handlung.

Nach manchen Monden — die alte Spinnerin wusste nicht warum — gerieten die guten Leute in bittere Geldnot. Den Mann griff dieses so an, dass er in seinem Trübsinn sein Schicksal verwünschte und mit Gott unzufrieden ward. Will denn auch gar kein Stern mehr zünden? Ei, das Feuerzeug! Hättest sehen sollen, wie beim Entsinnen fieberhaft die Hand zur Tasche fuhr und dann die eben im Gesicht auflachende Freude dem Ausdrucke des grössten Schmerzens wich, so plötzlich als wie am Himmel ein Blitz auf den andern zuckt. Das Feuerzeug ist ja wieder verschwunden und all' sein Bitten ist diesmal vergeblich. Vielleicht wird das Erdmandli sich durch das Flehen der Frau bewegen lassen? Darum wird ihr jetzt anvertraut, was für sie bisher noch immer ein Geheimnis war. Ihren rührenden Bitten konnte in der Tat Erdmännchen nicht widerstehen, das Feuerzeug kehrte in die Tasche des Mannes zurück. Vor dem Gebrauch hat er der Frau wohl scharf eingeprägt, dass alles verloren wäre, würde sie auf das Fragen der geheimnisvollen Stimme umschauen. Aber wie es drauf und dran kam, schien sie `s zu vergessen, oder dem Drang der Neugierde nachzugeben, und der Mann fasste sie rasch beim Kopf, dass dieser sich nicht wenden könne und hatte wirklich dabei vollauf mit ihr zu tun. Der unsichtbare Helfer in der Not stellte diesmal ein grosses silbernes Becken voll Kronentaler hin, so zwar, dass damit nicht bloss der Not abgeholfen war, sondern die beiden Gatten reiche Leute wurden und glücklich blieben. Solche Feuerzeuge hat es nur in der guten alten Zeit gegeben, jetzt nicht mehr, selbst nicht an der Londoner Industrieausstellung, denn die Erdmännchen konnten mehr als Brot essen.

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)