Ds Bärsianeli

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Das Bärsianeli war ein Weibervolk, auch wenn man ihm auf dem Urnerboden gelegentlich auch etwa «dr Bärsianer» rief. Wenn man ihm heute dort nachspürt, so wissen alte Leute zu erzählen, sie selber hätten es eigentlich nie ganz genau gesehen, wohl aber der Vater oder der Grossvater, die es gut gekannt hatten. Es muss ein kleines Weiblein gewesen sein, das wenig vorstellte, eher ein Huscheli, mehr oder weniger. Es hiess auch nicht «Bärsi Anni», sondern hatte seinen aparten Namen, weil es stehts ein Gewändlein aus Persienne trug, einem bunten Stoff, der in den Glarner Fabriken dazumal gedruckt wurde. Überdies trug es einen mächtigen Schatthut, gleichviel ob die Sonne schien oder nicht.

Es muss ein gschlachtes Weiblein gewesen sein, das den Menschen kaum etwas zuleide tat, wenn man es in Ruhe liess. Hie und da an leiden Tagen schlief es in Heugäden oder legte sich im erstbesten Stall in den Barmen. Wer es aber am Morgen wecken wollte, der fand es längst nicht mehr. Doch merkte das Vieh, wenn es in der Nähe war, wurde unruhig und fing an zu brüllen und mit den Ketten zu lärmen, und der Hund bellte, als ob der Weltuntergang käme. Türen gingen auf und zu, als wie von selber, und niemand sah, wer sie öffnete und schloss, und der Mist flog vom Stock, als ob einer einen Wirbel drein geblasen hätte. Wer sich aber unterfangen wollte, mitten in der Nacht nachzuschauen, was alles denn los sei, dem flog ein Laubsack an den Kopf oder gar eine Dachplatte, so dass er drei Tage lang mit einem verbundenen Kopf umherlaufen musste, als wie der türkische Grossmogul.

Der Hänseler hat einmal versucht, die Hüttentür mit einem dreizölligen Nagel und einem Marchetschloss zu schliessen; am Morgen aber hing sie sperrangelweit in der Luft. Der Marti Stadler hingegen behauptete, man käme mit dem Bärsianeli ganz gut aus, es hocke zu ihm an den Melkstuhl, und manch ein Knecht bringe mit Melken nicht fertig, was das Weiblein fertigbringe, und dazu helfe es in der Hütte, soviel es könne.

Einmal im Herbst hatte ein Senn Erbarmen mit ihm und glaubte, es verfriere im Winter auf der Alp. «Also hock aufs Rösslein», sagte er, als sie zu Tal fahren wollten, «halt dich fest, so reiten wir ins Dorf, und dort wird sich wohl ein Winkel für dich finden lassen!»

So ritt das Huscheli eine Weile mit; als es aber ins Linthtal hinuntersah und den Lintheler Kirchturm erschwickte, da sprang es flugs vom Ross und war verschwunden. Der Senn sagte hernach, es hätte ihm noch die Hand reichen wollen, aber er hätte ihm sein Schnupftuch hingehalten; das sei im Hui verbrannt wie Zunder.

Heute ist das Bärsianeli verschwunden. Ein fahrender Schüler, der von Italien her über den Klausen kam, soll es gebannt haben. Bei dem kleinen Wirtshaus zur «Sonne» habe er sich auf die Schwelle gestellt und in allen Sprachen gebetet, so dass kein Mensch Ihn verstanden habe, und so hätte er’s fertiggebracht, das Weiblein in eine Einöde zu bannen, wo es keiner mehr finde. Wie er aber wieder in die Gaststube gekommen sei, habe er ein flotschnasses Hemd zum Trocknen aufgehängt und gemeint, so streng hätt’ er seiner Lebtag noch nie arbeiten müssen.

 

Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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