Ewig verflucht

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Wo heute der Sardonagletscher liegt, war früher die schönste Alp des ganzen Tales. Sie gehörte dem Hirten Segnes, der sie vom sterbenden Vater geschenkt erhalten hatte unter der Bedingung, dass er für seine Mutter sorge. Segnes kannte ein Mädchen namens Sardona, das er heiraten wollte. Es war schön und reich, aber über alle Massen hoffärtig. Die Mutter des Hirten, die von ihrer zukünftigen Schwiegertochter nichts Gutes erwartete, riet ihrem Sohne, eine andere Frau zu suchen. Vergeblich! Die schönen, schwarzen Augen Sardonas waren mächtiger als die weisen Worte der Mutter.

Als der Frühling ins Land zog, stieg Segnes mit seinem Vieh auf die Alp hinauf. Die Mutter konnte nicht mit, denn sie war krank. Sie blieb unten in ihrem Häuschen. Nach einiger Zeit gingen ihr die Lebensmittel aus, und der Sohn, der davon wissen musste, hielt ihr nichts mehr zu. In ihrer Not entschloss sich die alte, kranke Frau, auf die Alp zu steigen und von ihrem Sohne Hilfe zu verlangen. Dem Tode nahe, schleppte sie sich langsam den Berg hinauf. Endlich, endlich kam sie zur Hütte und bat ihren Sohn um einen Napf Milch. Höhnisch holte der Sohn den Napf, füllte ihn jedoch mit Schweinefutter und setzte ihn der Mutter vor. Ohne ein Wort mehr über die Lippen zu bringen, stand die Mutter auf und wandte sich zum Gehen, um im Tale unten zu sterben.

Wie die Mutter mühsam über den Platz vor der Hütte schritt, kam Sardona stolz dahergewandelt. Segnes holte eilig einige Käselaibe aus dem Keller und legte sie vor seiner Braut auf den Weg, damit sie ihre Schuhe nicht beschmutze. Dann wandte er sich voll Bosheit gegen das Tal und rief der Mutter nach: «Das ist ein anderer Besuch!» Die Mutter aber wandte den Kopf und sprach mit ihrer letzten Kraft: «So bleibet immer und ewig beieinander!»

Die Mutter hatte es kaum gesprochen, da verdüsterte sich der Himmel. Es fing an zu regnen und regnete den ganzen Tag. Am Abend begann es zu schneien und schneite die ganze Nacht. Am andern Morgen sah man keine Hütte und keine Herde mehr. Ein gewaltiger Gletscher hatte alles Lebende bedeckt, und er bedeckt es noch heute. Einmal im Jahre bricht im Gletscher eine Spalte auf, und die beiden Gebannten kommen an den Rand der Gletscherspalte. Mit flehenden Worten rufen sie nach der Mutter, sie möge das böse Wort zurücknehmen. Dann horchen und horchen sie nach allen Winden aus, ob sich die erlösende Stimme nicht hören lasse. Doch immer wieder müssen Segnes und Sardona zurückkehren in das kalte Verliess.

 

Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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