Die Toten an den Seelentagen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Es gibt Tage im Jahre, an denen die Kirche und fromme Gläubige den Abgestorbenen zum Troste besondere Gebete, Andachten und gute Werke zu verrichten pflegen. Diese Gebetstage heissen « Seelentage.» Es sind das aber auch die Zeiten, so glauben die Leute, an welchen man am leichtesten die Toten zu sehen bekommt.

In solch frommen Zeiten sollen manchmal die Geister derjenigen zur Kirche gehen gesehen werden, die im Laufe des Jahres sterben werden. Gehen sie aber von der Kirche ab, so deutet das auf langes Leben. Solche Geister werden gewöhnlich alle gut erkannt, bis auf etwa eine Person, welche dann den Seher selbst oder die Seherin vorstellt und im gleichen Jahre auch sterben muss.

In Saas wird erzählt, dass einmal an einer ansteckenden Krankheit viele Personen starben. Alle Mittel und Vorkehrungen wollten nichts helfen. Der Sigrist wollte alle diese Sterbenden an einem Seelentage in die Kirche gehen gesehen haben und habe alle gekannt ausser den Letzten. Auch habe er dann in der Kirche, als der Ungekannte eingetreten war, deutlich sagen hören: «Jetzt müssen wir noch den Loser (Zuhörer) auch einschreiben.» Er behauptete darum fest, so lange er zu Grabe läute, werde der Tod nicht aufhören. — Und wirklich war der Sigrist die letzte Leiche, die der Seuche erlag.

Am Allerheiligentag abends wollte ein Mann aus Savièse, so wird ferner erzählt, bei bereits angebrochener Nacht durch das Sanetschtal in die Voralpen hinaufsteigen. Da begegneten ihm auf einmal viele Leute, die er gar nicht kannte. Er wich aus der Strasse, um selbe vorüber gehen zu lassen. Aber der Leute kamen immer mehr und mehr und er musste lange zuwarten. Endlich kam einer, den er zu kennen schien und der ihn freundlich fragte, was er da mache. Er antwortete: «Ich will die vielen Leute vorübergehen lassen und ihnen den Weg nicht sperren.» — «Da kannst du noch lange warten,» entgegnete jener. «Das sind alles arme Seelen, die zum Seelentage kommen, und die Letzten sind noch beim «gesegneten Stein (pierre bénit) an der Bernergrenze; darum gehe du nur deine Wege vorwärts.» — Und er ging, die Toten wichen ihm aus und keiner tat ihm was zu Leide. — In Savièse glauben die Leute, die armen Seelen kommen an Allerseelentag aus den Gletschern in die bewohnten Dörfer herab und bleiben da bis zum Hilari-Seelentag im Jänner, wo sie wieder zu den Firnen in die kalte Gebirgswelt hinaufsteigen.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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